Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Kunst als Rettungsanker

Kultur / 17.02.2023 • 16:56 Uhr

Es ist eine höchst lobenswerte Sache, dass sich das Vorarlberger Landestheater immer wieder lokaler Themen oder Personen annimmt und versucht, diese auf die Bühne und damit in eine neue Diskussion zu bringen. Es war im Besonderen die Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Autor Thomas Arzt, die viel Lokalkolorit aufs Theater brachte. Vor vier Jahren war es „Die Verunsicherung“, in der Arzt die Schweizer Anschlussbewegung in Vorarlberg vor hundert Jahren behandelte, dann setzte er sich vor drei Jahren in der denkwürdigen Aufführung mit der Lustenauer Malerin Stephanie Hollenstein in „Hollenstein, ein Heimatbild“ auseinander. Und vor kurzem schrieb Thomas Arzt das Stück „Else (ohne Fräulein)“ in Anlehnung an Arthur Schnitzlers berühmte Erzählung „Fräulein Else“, das ebenso den Weg auf die Bregenzer Landesbühne fand.

Nach so vielen Gemeinsamkeiten war es nicht ganz abwegig, dass sich Intendantin Stephanie Gräve entschloss, bei Thomas Arzt ein Stück über den Feldkirch Juristen, Schriftsteller und bildenden Künstler Max Riccabona in Auftrag zu geben. Mit „Wunsch und Widerstand – Eine Überlebensgeschichte“ deutet der Titel schon an, dass es mehr um Geschichte, genauer: um Familiengeschichte, als um die Kunst, vor allem die Literatur von Max Riccabona geht. Damit folgt das Stück auch mehr der Ausstellung „Der Fall Riccabona“, die vor einiger Zeit im vorarlberg museum zu sehen war. Das ist nicht ganz falsch, ist doch das Leben des Max Riccabona, der Jahre im KZ überlebt, dort schrecklichste Dinge erlebt hat, ohne diese Historie nicht zu verstehen.

Ungeachtet dessen darf man doch fragen, warum die Geschichte des Max Riccabona erzählenswert ist. Logisch, das Leben, das außergewöhnliche Leben. Aber doch auch die Kunst. Riccabonas literarische Leistung, vor allem sein unvollendetes Opus magnum „Bauelemente zur Tragikomödie des x-fachen Dr. von Halbgreyffer oder Protokolle einer progressivsten Halbbildungsinfektion“ machten ihn zu einer Größe in der österreichischen Literatur. Seine „Poetatastrophen“, von Helmut Swozilek und Wilhelm Meusburger bei Haymon herausgegeben, wiesen ihn als sprachgewaltigen Autor aus. Von all dem ist im Theater leider nichts zu hören, schon gar nicht von seinen bildnerischen Versuchen, den Collagen, die immerhin in einer Museumsausstellung gewürdigt wurden.

Ich weiß nicht wirklich, wie man das alles in ein Theater verpacken hätte können, bin mir aber sicher, dass Max Riccabona ohne seine künstlerische Seite nicht richtig zu verstehen ist. Und letztlich ist doch auch der Künstler Max Riccabona der Grund, warum es zu diesem Theater gekommen ist, denn ohne seine Kunst hätte Riccabona ein furchtbares Schicksal gehabt wie viele andere auch. Die Kunst aber hebt ihn hervor – sie war vielleicht auch sein einziger Rettungsanker. Und der fehlt im Stück.

„Die Kunst aber hebt ihn hervor – sie war vielleicht auch sein einziger Rettungsanker.“

Walter Fink

walter.fink@vn.at

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.