Eine versöhnliche Erzählung

Bildnis meiner Mutter
Wolfgang Hermann, Czernin-Verlag, 120 Seiten
Autor Wolfgang Hermann schrieb rund 30 Jahre an diesem Buch.
Erzählung Wolfgang Hermann eilt ein Ruf voraus. Der Vorarlberger Autor steht für poetisch-getragene Bilder, in knappen Worten und klarer Sprache zu Papier gebracht. Seine Texte kommen einem fast schwebend sprachwandelnd vor, weben feine Nuancen zwischen die Zeilen und lassen in eine metaphorische Atmosphäre sinken. „Dabei war ich nie ein Sprachexperimentator“, sagte der 61-Jährige einmal während eines Interviews. „Schreiben ist für mich auch kein intellektueller Prozess. Es ist mehr ein Warten auf das innere Bild.“
Zwei Teile
In seiner aktuellen Erzählung „Bildnis meiner Mutter“ fügt Hermann die Lebensnotizen der Frau zusammen, die ihm 1961 das Leben schenkte. „Schon vor vielen Jahren dachte ich daran, ein Buch über das Leben meiner Mutter zu schreiben, über ihre großen Träume, über ihre Enttäuschungen und darüber, an der Seite eines Mannes zu leben, der ihre Träume nicht verstand“, so Wolfgang Hermann, der rund 30 Jahre an diesem Buch schrieb. Die Erzählung gliedert sich in zwei Teile und die wiederum in mehrere Kapitel. „Die Mutter“ wie er sie im ersten Teil nennt, ist eine moderne Frau, will sich emanzipieren, eigenes Geld verdienen und träumt von den Brettern, die auch einmal ihre Welt bedeuten sollen. Zu Hause trällert sie Arien, liebt die Operette „Gräfin Mariza“ und endet dann doch wie die meisten ihrer Generation: in der konservativen gesellschaftlichen Wirklichkeit und in der Abhängigkeit von einem harten und lieblosen Ehemann. Hermann irritiert durch eine sehr distanzierte, teils holprig daherkommende Sprache und Gedankensprünge, hangelt sich an Jahreszahlen vorwärts und vermag es doch ganz nebenbei, die Geschichte einer ganzen Generation zu erzählen.
„Ich versuche in jedem Text die Figur zu retten“, sagt Hermann. Das tut er im zweiten Textteil, in dem sich der erste widerspiegelt. Die Distanz schrumpft und aus „die Mutter“ wird „meine Mutter“. Berührende Sprachbilder erzeugen Nähe, eröffnen eine Gefühlswelt, erzählen von der Zärtlichkeit im Kleinsten und von der Magie jenseits des Alltags. „Als Kind glaubt man, das Leben seiner Mutter zu kennen, oder man glaubt, es zu ahnen. Später begreift man, dass man von einem geheimnisvollen Menschen großgezogen wurde, dessen Persönlichkeit sich in unzählige Facetten auffächert.“ Wolfgang Hermann versöhnt seine Mutter mit dem Leben.
Der Autor liest am 20. April, 19.30 Uhr im Theater Kosmos in Bregenz. CRO
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