Gute Haltungsnoten im Bunker

Wie Sozialkritik mit Haltung funktioniert, sieht man derzeit in der Galerie Lisi Hämmerle.
Bregenz Georg Dinstl (Jahrgang 1978, in Wien geboren, in Graz lebend) ist vom Archetyp her Frontman. Einer, der weder die Bühne noch den Kontakt zum Publikum scheut und es gewohnt ist, seine sozialkritische Message, wie man auf Neudeutsch sagt, frontal an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Sieht man seine Bilder, welche derzeit unter dem Ausstellungstitel „Soziale Bunker“ die Wände der Galerie Lisi Hämmerle in Bregenz zieren, ergo seiner derzeitigen Bühne, erkennt man, dass da mehr dahintersteckt als zufällig auf die Leinwand aufgetragene Farbe.
Das hat biografische Gründe, war Dinstl doch, bevor er sich für die Malerei als Ausdrucksform entschied, Sänger der dem härteren Punk zuzuordnenden Gruppe „Antimaniax“. Und auch wenn er das Mikrofon gegen den Pinsel getauscht hat, bekommt man ziemlich schnell den Eindruck, dass er einer der rar gesäten bildenden Künstler ist, bei denen Haltung großgeschrieben wird. Und zwar nicht jene Art von Haltung, die einem, die Hände des Künstlers drückend auf den Schultern fühlend, ins Gesicht geschrien oder, Gott bewahre, durch Sekundärkunst, meist in geschriebener Form, schmackhaft gemacht werden muss.
Eine Metapher mit Mehrwert
All das war speziell beim Künstlergespräch mit der Kunsthistorikern Sarah Kirsch zur Vernissage zu beobachten. Kirsch stellte die richtigen Fragen, was sie zweifellos für weitere Engagements ähnlicher Art qualifiziert – und Dinstl musste für seine Antworten nicht lange überlegen, sondern ist sich seiner Idee, Herangehensweise und des daraus resultierenden Ergebnisses vollkommen im Klaren. Seine Themen sind allgegenwärtig. Den sozialen Bunker sieht er nicht nur in einem postapokalyptischen Rückzugsort aus Beton, auch die sozialen Medien, die Landflucht oder die aktuelle Rückbesinnung auf biedermeiersche Verhaltensmuster sind in der Metapher enthalten.
Für die aktuelle Ausstellung hat Dinstl im März dieses Jahres in einem Kraftakt eine Serie von über 20 Bildern gefertigt, die man überspitzt auf Landschaftsschilderungen eines suizidalen Adalbert Stifters, der gerade einen schlechten Tag und deshalb mit psychoaktiven Substanzen experimentiert hat, reduzieren könnte (aber nicht muss). Dinstls Malerei profitiert aus dem Spannungsfeld des Figurativen (tierähnliche Gestalten, Heiligenscheine, Blindenzeichen, Totenköpfe) und der gewählten Farbpallette, welche er selbst als „Colors against boredom!“ bezeichnet und aus bunten, lebendigen Farben besteht, welche dem Künstler helfen, eine gewisse Stimmung auszudrücken und Schicht für Schicht im Schichtbetrieb aufgetragen wurden.
Die Bilder sind Antworten auf aktuelle Fragen. Wie gehen wir mit Ressourcen, Tieren, dem Gegenüber, mit uns selbst um? Wo beginnt und endet die gesellschaftliche Scheinheiligkeit? Wenn wir als Menschengeschlecht etwas von Georg Dinstl lernen können, dann das: Ein kritischer Mensch bringt vorsichtshalber sein eigenes Dosenbier zur Eröffnung seiner eigenen Ausstellung mit. Mehr Punkrock geht nicht. Mehr Haltung auch nicht. VN-HF
Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Mai 2023 in der Galerie Lisi Hämmerle zu sehen. Anton-Schneider-Straße 4a, Bregenz. Infos: www.galerie-lisihaemmerle.at
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