Vom Alter gezeichnet

Kultur / 21.05.2023 • 20:03 Uhr
Die Heldinnen und Helden aus Peter Wehingers Serie ZeitAlter schrecken vor nichts zurück. Ein Baum ist kein Hindernis – er ist eine Herausforderung.Wehinger
Die Heldinnen und Helden aus Peter Wehingers Serie ZeitAlter schrecken vor nichts zurück. Ein Baum ist kein Hindernis – er ist eine Herausforderung.Wehinger

Peter Wehinger setzt sich erneut hintersinnig mit dem Thema Altern auseinander.

Feldkirch Wir werden alle sterben. Das ist die wohl unausweichlichste Tatsache des Lebens. Was danach passiert, darf jeder – gerne auch in Form der Gretchenfrage – für sich beantworten. Viel wichtiger ist jedoch, was davor geschieht. Im Idealfall, so mit rosaroter Brille gesehen, hat es was mit einem erfüllten Leben und Altern in Würde zu tun.

Peter Wehinger beschäftigt sich in seinem zeichnerischen Schaffen schon seit vielen Jahren mit diesem Themenkomplex und findet immer wieder spannende Ansätze der Darstellung. Seine Zeichnungen unbekleideter älterer Herren auf Skateboards gelten nicht zu Unrecht bereits als Klassiker der jüngeren Vorarlberger Kunstgeschichte.

In diesem Stil geht es nun in seiner neuen Serie ZeitAlter weiter, welche derzeit im Feldkircher Palais Liechtenstein zu sehen ist. Wehinger wird dadurch allerdings nicht zum Wiederholungstäter, sondern konfrontiert den Betrachter augenzwinkernd mit jedem gesetzten Pinselstrich, mit jedem neuen Bild, mit der eigenen Vergänglichkeit.

Identitätsentwicklung

Diesmal stellt er seine Helden ins Rampenlicht der Identitätsentwicklung und hinterfragt gleichsam, so im Vorbeigehen, die allgemeine Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Geradezu infantil lässt Wehinger die alten Leute im Adamskostüm auf Bäume klettern, beim Gummitwist übers Band springen (gut zu wissen: In der DDR hieß dieses Spiel Schlüpfergummi), Kopfstehen oder halsbrecherisch akrobatische Kunststücke am Schwungtrapez ausführen. Wehinger versucht nicht, eine Antwort auf die Frage, welchen Platz der alte Mensch in unserer Leistungsgesellschaft hat, zu geben. Für ihn steht dieser im Mittelpunkt, für ihn ist er ein individuelles Kunstwerk. Da ist es dann auch überflüssig zu wissen, ob diese Person Zeit ihres Arbeitslebens Arzt, Lehrkraft, Fachverkäuferin oder gar Türsteher eines zwielichtigen Etablissements war. Vor dem Schöpfer – nicht nur dem dieser Bilder – sind sie alle gleich.

Es gibt ganz sicher dramatischere Wege, sich mit dem Abbau der Kräfte, Verlust und Tod auseinanderzusetzen. Wehinger setzt dabei nicht auf Depression und Erschöpfung, im Gegenteil: Spiel, Spaß und Spannung sind die Steckenpferde der Protagonisten von ZeitAlter. Die senile Bettflucht kann daher nicht früh genug auf die Blase drücken. Jeder Tag ist ein Geschenk.

Märchenhaft

Sozusagen als Bonus gibt es im Nebenraum auch noch Bilder aus Wehingers Serie Sabotage zu sehen, in welcher der Künstler die allseits bekannten und beliebten Protagonisten aus den Hausmärchen der Gebrüder Grimm, den Erzählungen Hans Christian Andersens und den Moralkeulen von Heinrich Hoffmann ihre in den Geschichten gestellten Aufgaben nicht in der Blüte der Jugend, sondern – erraten – verrunzelt und am Stock gehend erledigen müssen. Da wird das Lebkuchenhaus für Hänsel und Gretel schnell mal zum Altersheim und auch der Struwwelpeter hat nicht sonderlich viel von seinem anarchistischen Charme über die Jahre retten können.

Wenn man von der Ausstellung etwas lernen kann, dann vielleicht folgende Weisheit: Wenn schon Altern, dann mit Freude und bestenfalls nackt in einer Zeichnung von Peter Wehinger. VN-HF

Zur Person

Peter Wehinger wurde 1971 in Vorarlberg geboren, hat an der Akademie der Bildenden Künste Wien studiert und setzt sich seit vielen Jahren künstlerisch mit der Thematik des Alterns auseinander.

ZeitAlter ist noch bis 1. Mai 2024 im Palais Liechtenstein, Schlossergasse 8, Feldkirch, zu sehen.