Ich will Berührung

Kultur / 14.06.2023 • 18:18 Uhr
Lorenz Helfer präsentiert seine Werke in Form von abstrakten Darstellungen.
Lorenz Helfer präsentiert seine Werke in Form von abstrakten Darstellungen.

Die alljährliche Publikation von literatur:vorarlberg, V#, widmet sich dem Thema Pflege.

Feldkirch Zwölf Vorarlberger Autorinnen und Autoren – Stephan Alfare, Gabriele Bösch, Willibald Feinig, Wolfgang Hermann, Brigitte Herrmann, Véronique Homann, Wolfgang Mörth, Laura Nussbaumer, André Pilz, Amos Postner, Birgit Rietzler und Lisa Spalt – sowie der bildende Künstler Lorenz Helfer liefern im Rahmen des Schwerpunktthemas „Pflege der Zukunft“ des Palais Liechtenstein in Feldkirch inspirierende und irritierende Beiträge zu einem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema. Ihre Arbeiten repräsentieren eine beeindruckende künstlerische Vielfalt und zeigen, wie zeitgenössische Kunst intellektuell, ästhetisch und emotional auf dieses Thema reagieren kann. Die Pflege und Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen stellt angesichts des demografischen Wandels und knapper öffentlicher Kassen eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Eine intensive Diskussion und politische Auseinandersetzung wird als dringend notwendig erachtet und auch die Zivilgesellschaft ist aufgerufen, sich nachhaltig damit zu beschäftigen.

Der Beitrag der Kunst

In der Kulturvermittlung ist man der festen Überzeugung, dass Kunst – sei es Literatur, Musik, bildende oder darstellende Kunst – einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Dabei geht es nicht um pragmatische Maßnahmen, sondern um die Schaffung einer kreativen Metaebene, die neue Perspektiven eröffnet, etablierte gesellschaftliche Praktiken hinterfragt und möglicherweise neue Sichtweisen provoziert.

Stephan Alfare begleitet in seinem Werk „Vormittagstour“ die Hauskrankenpflegerin Christine W., die in verschiedenen Bezirken Wiens Menschen betreut. Mit präziser Sprache erzählt der Autor von den bewegenden Schicksalen der Menschen, denen Christine W. hilft. Gabriele Bösch porträtiert in ihrer Erzählung „Meine alte Dame und ich“ einfühlsam zwei Frauen und ihre Beziehung zueinander. Sie reflektiert Beziehungen, die sie mit ihrer Familie und den Lesern teilt.

Willibald Feinig erzählt von einer Protagonistin, die einen schrecklichen Autounfall erleidet und mit den Folgen zu kämpfen hat. In ihren Träumen und Beobachtungen deutet sie die Beziehungen ihrer Mitmenschen.

„Die Brücke der Hand“ von Wolfgang Hermann beschreibt die zärtliche Beziehung zu seiner Mutter, die von großer Intensität geprägt ist und bis zu ihrem Tod anhält. Brigitte Herrmann erzählt von einer langjährigen Jugendfreundschaft, die durch ein einschneidendes Ereignis auf die Probe gestellt wird, und Veronique Homann zeigt in ihrer kritischen literarischen Auseinandersetzung, dass in unserer Gesellschaft für manche Menschen kein Platz für Anerkennung, Mitgefühl und Gerechtigkeit ist.

Wolfgang Mörth erzählt eine Spionagegeschichte, in der der Protagonist, ein über 90-jähriger Mann, in einem Altersheim von einem Pfleger betreut wird, der versucht, sein Geheimnis zu lüften. Laura Nussbaumer zeigt in poetischen Versen eine Welt, in der Tiere und Menschen in absurd-komischen Situationen in Pflegesettings auftauchen. Mit ihrer Care-Poesie lädt sie zu einer spielerischen Auseinandersetzung mit dem Thema ein.

André Pilz erzählt die Geschichte des Verschwindens der jungen Pflegerin Nikoleta und beleuchtet dabei Standesdünkel, Ressentiments und Rassismus. Die Protagonistin Meli stellt fest: „Für euch sind wir weniger Menschen.“ In der Geschichte „Ich habe Amina nicht gepflegt“ von Amos Postner gesteht der Protagonist, dass er seine pflegebedürftige Freundin aus verschiedenen Gründen nicht unterstützen konnte.

Birgit Rietzler erzählt von zwei Frauen, der alten Rosa und der jungen Bredica, die in stiller Übereinkunft eine Pflegebeziehung führen. Beide hadern mit ihrer Situation und stellen sich auf bemerkenswerte Weise den unveränderlichen Umständen. Lisa Spalt wählt in ihrem Text „Wortmaterial so kühl, wie wir betrachten“ Worte von großer Wirkung. Sie setzt sich mit Themen wie Nächstenliebe, Taufe und Frauenverachtung auseinander. Sie entlarvt patriarchale Strukturen und fordert zum Nachdenken und zur Veränderung auf. Der bildende Künstler Lorenz Helfer präsentiert seine Werke in Form von abstrakten Darstellungen auf DIN A3 großen Blättern. Seine Ölgemälde auf Papier setzen Menschen in Beziehung zueinander und provozieren unterschiedliche Interpretationen. VN-AMA