Auf einen Jass ins Künstlerhaus

Uwe Jäntsch inszeniert das Palais Thurn & Taxis gänzlich neu.
Bregenz „Alles hier in diesem Haus“, gemeint ist das Palais Thurn & Taxis, das Ausstellungsgebäude für die großen Sommerausstellungen der Stadt Bregenz, „ist inszeniert, millimetergenau, punktgenau“, so die Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Kulturservice der Landeshauptstadt, Judith Reichart. Inszeniert von Uwe Jäntsch, einem der bislang jüngsten Künstler in der Geschichte der Bregenzer Sommerausstellungen, dem das ganze Haus zur Verfügung gestellt wurde. Unter dem Titel „Schöner Wohnen“ definiert er das Palais gänzlich neu, bricht mit alten Zöpfen und tanzt wie ein Derwisch mit seiner Kunst durch die Räume into the great white open.
Auto zu gewinnen
Auch die im Vorfeld manch polemische Diskussionen auslösende Ankündigung eines Preisjassens ist Teil der Inszenierung so wie der Hauptpreis, es gibt ein Auto zu gewinnen. „Das ist die Kirsche auf dem Sahnetörtchen“, so Uwe Jäntsch. Er ist ein Meister der Kontextualisierung, denn es gibt bereits genug Vorhandenes, achtlos beiseite Geräumtes, unbeachtetes Alltägliches. Jäntsch schafft es mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks, Objekte aus der Alltagswelt derart zu präsentieren und zu positionieren, dass sie uns „neu“, so noch nicht gesehen, erscheinen. Hinter allem und jedem steht ein Fragezeichen, keine Zufälligkeiten, jedes Ding/Objekt/Bild/Skulptur ein Treffer.
Die Kellerräumlichkeit, genauestens ausjustiert von Daniel Büchel für 16 Jasstische mit jeweils vier Stühlen. Nur der Beste, d.h. derjenige mit der höchsten Punkteanzahl kommt weiter, vielleicht bis in die Endrunde, ebenfalls Teil der Inszenierung, eine soziale Skulptur. The winner takes it all.
Kritische Auseinandersetzung
Das Pendant dazu, das Dachgeschoss, dort erwartet den Besucher ein Aufbau von 120 gelben Bierkisten und einer Waschmaschine, eingepackt; 2. und 3. Preis; flankiert von Holzpodesten, darüber sind Kreuze angebracht. Auf den Altären des Konsums wird geopfert – nur was? Stadtrat Michael Rauth bringt’s auf den Punkt: „Unser Lottosechser ist, dass wir in Bregenz oder auch Vorarlberg geboren sind. Schöner Wohnen geht hier nahezu nicht – diese Ausstellung soll auch ein Anschub sein für eine kritische Auseinandersetzung mit unserer Zukunftsgestaltung.“ Reduktion ist das neue Mehr und hat das olympische „schneller, höher, weiter“, das Credo unserer Konsumgesellschaft, längst abgelöst. Hat uns nicht schon vor Jahrzehnten Alexis Sorbas (gleichnamiger Roman von Nikos Kazantzakis, 1946) gelehrt, was Leben heißt: „Den Gürtel enger schnallen und Ausschau halten nach Schwierigkeiten“? Für Palermo hat Uwe Jäntsch, der dort nahezu 20 Jahre gelebt hat, eine Müllkathedrale erarbeitet und Häuser besetzt. „La Vucciria“ (historischer Markt in Palermo), das Herz der Stadt, war sein Wohnzimmer.
Im ersten Obergeschoss findet sich eine monumentale Arbeit (Stars World, 2006) zu dieser Zeit. Manchmal zartbitter und doch so voller Schönheit und Anmut, wovon der Schwan in der Bildmitte kündet. Aber auch Fleischerhaken sind dort zu sehen, und der „Apokalyptische Reiter“ von 2016 (es drängt sich Henri Rousseaus „Krieg oder Zwietracht zu Pferd“, 1894 und de Chiricos „Geheimnis und Melancholie einer Straße“, 1914 auf), während im Erdgeschoss im „Heimatraum“ eine Inszenierung aus der Villa Müller (2021) zu sehen ist: Den Tod, den man sich selbst wünscht, oder „Wie hätt‘ mir‘s denn gern?“ Rittlings in der Badewanne, kopflos unterm Rasenmäher, Genickbruch auf steinernen Stufen? Wünsch dir was. Barock at its best.
Hinter aller Schönheit verbergen sich Vergänglichkeit und die Gewissheit, dass alles ein Ablaufdatum hat. Heimelig die zwei Öfen, bestückt mit von Uwe Jäntsch designten Kacheln, einmal ein Blumenmotiv, einmal ein Totenschädel, umgesetzt vom Universaltalent Thomas Rösler/KARAK, welch wohlige Wärme durchströmt den Körper.
Hereinspaziert!
Uwe Jäntsch ist nicht nur ein Perfektionist, er ist ein Ästhet in extenso. Kantig, hantig und doch von unvergleichlicher Sanftmütigkeit, ein Seismograph, der jede noch so geringste menschliche Schwingung als Beben wahrnimmt. Hereinspaziert, geben Sie Ihrem Leben eine Chance! THS

Palais Thurn & Taxis, Uwe Jäntsch “Schöner Wohnen”, Eröffnung: So 16.7., 11 Uhr, bis 3.9.2023, www.bregenz.gv.at/sommerausstellung