Florence Price macht Spaß!

Kultur / 30.07.2023 • 19:41 Uhr
Das Orchesterkonzert mit Dirigent Dirk Kaftan und Sopranistin Rachel Willis-Sorensen begeisterte das Publikum.  BF/Lisa Mathis
Das Orchesterkonzert mit Dirigent Dirk Kaftan und Sopranistin Rachel Willis-Sorensen begeisterte das Publikum.  BF/Lisa Mathis

Eine mutige Programmierung ermöglicht beim zweiten Orchesterkonzert ungeahnte Einblicke.

BREGENZ Das war am Sonntag, beim zweiten Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker, eines der interessantesten Konzertprogramme der Bregenzer Festspiele seit Langem. Es hatte rein äußerlich den Anschein eines sogenannten „Sandwich Programms“, mit zwei Unbekannten und den „Vier letzten Liedern“ von Richard Strauss als Schinken in der Mitte. Und entpuppte sich im Laufe dieser Matinee doch als das genaue Gegenteil.

Fasziniert haben in dieser Zusammenstellung vor allem zwei amerikanische Komponisten, deren Werke als gemeinsames Schicksal Jahrzehnte lang auf ihre Aufführung warten mussten. Die Festspiele nahmen damit Bezug auf ihr Motto „Annäherung – Anverwandlung – Aneignung“, mit dem sie heuer ihre Konzertprogramme überschrieben haben. Eine gefundene Vorgabe für das Orchester der Wiener Symphoniker und den mit ihnen und den Bregenzer Festspielen eng verbundenen deutschen Dirigenten Dirk Kaftan.

Authentische Atmosphäre

Der Vormittag beginnt mit einer Verdunklung des Saales, um eine möglichst authentische Atmosphäre für das 1906 entstandene „Central Park in the Dark“ von Charles Ives zu schaffen, eine der ersten polytonalen Klangflächenkompositionen. Vielleicht deswegen wagte man sich erst 1946 an die Uraufführung dieses fein gesponnenen Klangbildes aus musikgewordenen Geräuschen. Neben den intensiv beschäftigten Streichern splittet sich dabei eine Band ab, die man von ferne hört, als zweite Klang­ebene eines erfindungsreichen Komponisten. Die 1948 komponierten „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss nach Hesse und Eichendorff fügen sich als rückwärts gewandtes, rein romantisches Element nahtlos ins Programm.

Die amerikanische Sopranistin Rachel Willis-Sorensen trifft bei dieser Auseinandersetzung mit Abschied und Tod in ihrem stimmlichen Leuchten, ihrer perfekten Diktion und der geistigen Ausdruckskraft die beklemmende Stimmung, getragen von Farben und Emotionen des Orchesters mit dem behutsam agierenden Dirigenten. Zur perfekten Konzertsaal-Sensation wird die Symphonie Nr. 1 in e-Moll von Florence Price (1887 – 1953), die 1933 bei der Weltausstellung von Chicago den Durchbruch schaffte und als erste Afroamerikanerin in den USA als Komponistin klassischer Musik akzeptiert wurde. „Ich habe zwei Handicaps: mein Geschlecht und meine Hautfarbe“, hat sie damals mit schwarzem Humor bekannt. Und wirklich wurde ihr Werk erst 2009 auf einem Dachboden der Vergessenheit entrissen.

Ganz aus dem Häuschen

Es ist ein doppelbödiges Werk mit vielen Bezügen zur schwarzen amerikanischen Community, mit Spirituals in Dvoráks „Neuer Welt“, Blechchorälen in Wagners „Walküre“ und fetzigem Ragtime. Zu einer so mitreißenden Wiedergabe dieses Stücks braucht es freilich auch ein Orchester mit der spürbaren Spiellust der Wiener Symphoniker à la Hollywood Bowl Symphony und eines Dirigenten wie Dirk Kaftan, der den Rhythmus dieses Stücks am liebsten gleich am Pult mitgetanzt hätte. Vielleicht gibt es Moralapostel, die meinen, das sei bloß ein Stück trivialer Unterhaltungsmusik. Das Festspielhaus jedenfalls gerät danach aus dem Häuschen.

3. Orchesterkonzert: 7. August, 19.30 Uhr, Festspielhaus – Dirigentin: Marie Jacquot, Solist Benjamin Schmid, Violine