Sturm der Entrüstung und kalte Dusche

„Falstaff“-Inszenierung in Salzburg konnte nicht überzeugen.
Salzburg Bei der Premiere von „Falstaff“ bei den Salzburger Festspielen kam es zu einer interessanten Kombination von Naturgewalten und Publikum. Während am Samstag ein heftiges Gewitter über Salzburg tobte, brach am Ende des Premierenabends im Zuschauerraum ein Sturm der Entrüstung über das Regieteam um Christoph Marthaler los. Im Gegensatz zur hervorragenden Leistung des Ensembles und des Dirigenten Ingo Metzmacher mit den Wiener Philharmonikern ließ die Inszenierung eindeutig zu wünschen übrig.
Doch nicht nur Regisseur Marthaler wurde an diesem Abend im Festspielhaus unangenehm überrascht. Wie schon 2018 bei einem Konzert gab es in der zweiten Hälfte des Abends eine kalte Dusche für einige Sitzplätze im Parkett. Das Wasser drang durch ein undichtes Dach ein und zwang einige Premierengäste, das Finale der Verdi-Oper vorzeitig zu verlassen.
Komplexe Handlung
Falstaff zeichnet sich durch eine Fülle von Figuren und eine rasante, komplexe Handlung aus. Christoph Marthaler erhöht die Zahl der Darsteller und lässt die singenden Protagonisten von einem Filmteam bei der Arbeit begleiten. Die Szenen, in denen zum Beispiel die Bühnenbild-Praktikantin Liliana Benini und der Regieassistent Joaquin Abella mit Hingabe und in Dauerschleife in den Swimmingpool springen, sind reiner Klamauk und wenig komisch.
Zu Beginn der Aufführung herrscht auf der Bühne reges Treiben ohne musikalische Untermalung, bevor Ingo Metzmacher mit den Wiener Philharmonikern den Takt angibt, nachdem die Filmklappe gefallen ist. Dreh- und Angelpunkt dieser doppelten Handlungsebene ist die Schaffung eines Alter Ego für Gerald Finleys Darstellung des Falstaff. Sein Schatten ist ein stummer Orson Welles, der als Regisseur der Handlung fungiert und dessen Regieanweisungen zunächst von allen, auch den Sängern, befolgt werden. Die eigentliche Performance kommt nur von denen, die von der Kamera eingefangen werden. Die anderen sind nur im Bild. Es fehlt der feine Humor, der in dieser Oper steckt, es fehlt die Eleganz und ab der fünften Minute herrscht inszenatorische Langeweile. Der Inszenierung gelingt es nicht, Falstaff in einem neuen Licht erscheinen zu lassen oder den Zuschauer zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den dargestellten Themen zu bewegen.
Chaos auf der Bühne
Drei feste Kulissen bilden eine Art Triptychon als Bühnenraum, der das Chaos auf der Bühne noch verstärkt. Dass Gerald Finley in der Titelpartie aus gesundheitlichen Gründen nicht in Bestform war, merkte man lediglich in einer gewissen Vorsichtigkeit. Der enorme Umfang seines Baritons war nicht beeinträchtigt, die feinen Nuancen, die Finleys Gesang überzeugend machen, waren ebenso vorhanden wie die subtilen Temporückungen oder sprachlichen Akzente. Ihm stimmlich ebenbürtig war Simon Keenlyside als sein Gegenspieler Ford. Bogdan Volkov beeindruckte als Fenton mit seinem klaren Tenor. Ariane Baumgartner als stimmlich und darstellerisch lustvoll intrigierende Mrs. Quickly, die Mezzosopranistinnen Elena Stikhina als Alice Ford und Cecilia Molinari als Meg Page standen ihr in nichts nach. Giulia Semenzato beeindruckte als stimmlich brillante Nannetta mit makelloser Leichtigkeit in den Pianissimo-Passagen. Thomas Ebenstein agierte routiniert als Dr. Cajus, während Michael Colvin die komödiantische Seite des Bardolfo voll auskostete. Auch Jens Larsen überzeugte als Pistola.
Tolle Besetzung
Alles in allem also eine tolle Besetzung, der man aber schauspielerisch anmerkte, dass sie von dieser Inszenierung wohl auch nicht allzu begeistert war.
Zum größten Teil hervorragend waren die Wiener Philharmoniker unter „Falstaff“-Debütant Ingo Metzmacher, der Verdis Oper zwar nicht mit italienischem Temperament, aber mit Eleganz und Frische interpretierte. VN-AMA