Politik in Kasiner-Zeiten
Was wir derzeit an Heuchelei und bigotten Sprüchen hören, das geht nicht einmal mehr auf die berühmte Kuhhaut. Was das heißt, kann man in der Kirche St. Georg auf der Insel Reichenau im Untersee bildlich erfahren, denn da halten auf einer Wandmalerei vier Teufel eine Kuhhaut in Händen, auf der zwei Frauen abgebildet sind und zu lesen steht: „Ich will hier von den dummen Weibern schreiben; was hier an Blabla die ganze Woche geredet wird, dessen wird gedacht werden, wenn es einmal vor dem Richter steht.“ Das Fresko stammt aus dem Jahre 1307 und zeigt uns, dass sich die Haltung der Kirche gegenüber den Frauen bis heute kaum geändert hat. Denn gerade jetzt erleben wir im Land wieder, wie sehr die Kirche glaubt, den Frauen vorschreiben zu können, wie sie ihr Leben zu führen haben – und die Politik folgt ihr wie in alter, schon überwunden geglaubter Kasinerhaltung.
Es geht natürlich um die vom Parlament am 1. Jänner 1975 beschlossene Fristenlösung, die besagt, dass der Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt, wenn er innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft von einem Arzt nach vorheriger ärztlicher Beratung durchgeführt wird. Wohlgemerkt: Hier wird nicht von einer Befürwortung der Abtreibung gesprochen, sondern von einer Straffreiheit unter bestimmten Voraussetzungen. An solche Beschlüsse, so sollte man meinen, müsste sich eine demokratische Gesellschaft halten.
In Vorarlberg erleben wir das genaue Gegenteil. Menschen, die fordern, dass man ein solches Gesetz einzuhalten und auch umzusetzen hat, also entsprechende Einrichtungen am besten in Spitälern schaffen sollte, werden hingestellt als wären sie Mörder an ungeborenen Kindern. Und die Politik, wo ist die Politik? Die Schwarzen in der Landesregierung gaben sich erst mutig, wollten Eingriffe in Spitälern ermöglichen, dann doch nur in Nebengebäuden, schließlich gar in Containern – um schließlich ganz umzukippen. Garantieren könne er, so Landeshauptmann Markus Wallner, nicht, dass es auch im nächsten Jahr eine nahtlose Lösung für die Fristenlösung gebe.
„Hier wird nicht von einer Befürwortung der Abtreibung gesprochen, sondern von einer Straffreiheit unter bestimmten Voraussetzungen.“
Vorausgegangen war dem eine klare Stellungnahme von Landesbischof Benno Elbs (den ich übrigens grundsätzlich sehr schätze). Ihm sei seine für einen Bischof nachvollziehbare Haltung unbenommen, dass er seine Ablehnung der Fristenlösung aber so deutlich gemacht hat, diesen Vorwurf kann man ihm leider nicht ersparen. Mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer möchte man ihm sagen: „Überhaupt ist es geratener, seinen Verstand durch das, was man verschweigt, an den Tag zu legen, als durch das, was man sagt.“ Bischof Benno sprach – und die ÖVP machte eine Kehrtwendung. Wie in besten Kasinerzeiten. Da stehen wir jetzt und können nur hoffen, dass das keine grundsätzliche Änderung der Politik bringt, denn eine klare Trennung von Kirche und Staat sollte heute nicht neu zu diskutieren sein.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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