“Wir wollen die richtigen Fragen stellen”

Kultur / 01.10.2023 • 18:58 Uhr
Das Ensemble mit Karl Müller, Katharina und Ruth Grabher sowie Andreas Kosek.
Das Ensemble mit Karl Müller, Katharina und Ruth Grabher sowie Andreas Kosek.

Zum 30-jährigen Jubiläum zeigt das teatro caprile seine neueste Produktion „Fabrikler“ in der Villa Falkenhorst.

FRASTANZ, WIEN Das teatro caprile wurde vor 30 Jahren von der Fras­tanzer Schauspielerin Katharina Grabher, dem Wiener Schauspieler und Theaterwissenschaftler Andreas Kosek und dem aus Ungarn stammenden Wiener Ethnologen Mark Német gegründet. Seither wurden zahlreiche innovative Inszenierungen im mitteleuropäischen Raum und in Vorarlberg gezeigt. Das Wort caprile stammt übrigens aus dem Rätoromanischen und bedeutet Ziegenstall und soll auf die Neugierde und Eigenwilligkeit der Ziege verweisen, der Stall hingegen auf die finanzielle und infrastrukturelle Heimat der freien Theatergruppen abseits der großen Geldtöpfe und High-Tech-Bühnen. Im Jubiläumsjahr bringen sie die Produktion „Fabrikler” in Thüringen auf die Bühne.

 

Welche Bedeutung hat das Theater für Sie?

GRABHER Theater ist für uns die lebendigste Kunstform, um Geschichten zu erzählen. Es basiert auf der wunderbar naiven Übereinkunft zwischen Publikum und Darstellern, dass das, was gerade passiert, echt ist, sodass mit einfachsten Mitteln jede Situation geschaffen werden kann. Und Theater ist Kommunikation mit dem Publikum, je geringer die räumliche Distanz, desto intensiver.

 

Inwiefern spielen Räume in Ihren Aufführungen eine besondere Rolle?

KOSEK Man sieht uns nur selten in herkömmlichen Veranstaltungsräumen. Wir bevorzugen Orte, die etwas erzählen. Seit unserer ersten „Flucht“-Veranstaltung in Gargellen vor zehn Jahren wissen wir, dass wir mit der Landschaft kooperieren können, indem wir Steigungen, Hitze, Wind und Wetter, aber auch Schnee zu unseren Partnern machen können. Für unsere Produktion „Fabrikler“ bespielen wir nun die Innenräume der Villa Falkenhorst.

 

Was bedeuten die beiden Begriffe „Koffertauglichkeit“ und „Reisefreiheit“ bei Ihren Produktionen?

GRABHER Die meisten unserer Inszenierungen kommen mit wenigen Kostümen aus und wenn es notwendig ist, füllen wir einen zusätzlichen Koffer mit kleinen Spots, Farbfiltern und Kabeln. Frei von Kisten oder gar Containern mit Bühnenelementen konnten wir relativ einfach Gastspiele etwa in Brüssel und Czernowitz, Teheran und Tiflis, Ulm und Zagreb realisieren.

 

Warum widmen Sie sich gesellschaftspolitischen Themen?

KOSEK Kunst sollte stets die Zeit, in der sie entsteht, reflektieren, sich mit deren Gegebenheiten und sozialen Problemen auseinandersetzen und gerade auch das Uneindeutige, die Übergänge sicht- und hörbar machen. Wir wollen mit unseren künstlerischen Werkzeugen die richtigen Fragen stellen, die zur Selbstreflexion und einer Toleranz für die Vielfalt führen. Ein Weg ist die Belebung trockener Fakten aus Sachbüchern und akademischen Zirkeln.

Schon mit dem „Industriepfad Frastanz“ haben Sie heuer die regionale Industrialisierungsgeschichte zen­tral gestellt. Welche Aspekte thematisieren Sie bei den „Fabriklern“?

GRABHER Der Walgau wird heutzutage meistens nur als Transitroute wahrgenommen, die man rasch hinter sich lassen will. Im 19. Jahrhundert war dies allerdings aufgrund der Wasserkraft aus den Seitentälern und des Arbeitskräftepotenzials verarmter Bauernfamilien und der neu erbauten Eisenbahn eine Boom-Gegend. Ausländische wie auch einheimische Unternehmer etablierten sich mit billigen Rohstoffen aus fernen Ländern – eine bis Ende des 20. Jahrhunderts florierende Textilindustrie, die in Thüringen mit den Familien Douglass und Kastner verknüpft ist. Bei uns stehen jedoch die Lebens- und Arbeitsbedingungen jener im Mittelpunkt, die den Reichtum der Fabrikanten in den Spinnereien, Webereien und Färbereien erarbeiteten. Anfangs arbeiteten sie 14 Stunden am Tag, manchmal schon ab dem zehnten Lebensjahr. Um die Produktion so authentisch wie möglich zu gestalten, haben wir zahlreiche, zum Teil sehr berührende Interviews mit ehemaligen Arbeiterinnen und Arbeitern der Firma Kastner geführt. BI

Die beiden Schauspieler Andreas Kosek und Katharina Grabher verbindet eine langjährige Freundschaft und die Leidenschaft für das Theater. BI
Die beiden Schauspieler Andreas Kosek und Katharina Grabher verbindet eine langjährige Freundschaft und die Leidenschaft für das Theater. BI

Zu den Personen

ANDREAS KOSEK

Geboren 6. November 1959

Familie in einer Beziehung

Wohnort Wien

Beruflicher Werdegang Studium
der Theaterwissenschaften und
Germanistik, für einige Jahre parallel zum Theater Postbeamter im Innendienst.

Hobbys Wandern mit Berg- und Schneeschuh

Lebensmotto Nachhaltig genießen
KATHARINA GRABHER

Geboren 16. Juni 1959

Familie in einer Beziehung

Wohnort Frastanz/Wien

Beruflicher Werdegang Akademie für Sozialarbeit, Studium der Theaterwissenschaft und Schauspielausbildung

Hobbys na caprile, Wein und Skifahren auf der Bazora

Lebensmotto „Genauigkeit kommt immer der Schönheit zugute und richtiges Denken dem zarten Gefühl.“

Premiere von “Fabrikler”: 12. Oktober 2023 in der Villa Falkehorst, Thüringen: Beginn: 19 Uhr