Was im Barock alles möglich ist

Kultur / 15.10.2023 • 19:03 Uhr
Das Concerto Stella Matutina trat in großer Besetzung mit Trompeten, Pauken, Hörnern und Streichern zu Händels „Wassermusik“ an. jurmann (2)
Das Concerto Stella Matutina trat in großer Besetzung mit Trompeten, Pauken, Hörnern und Streichern zu Händels „Wassermusik“ an. jurmann (2)

Concerto Stella Matutina und Alfredo Bernardini brachten mit „Wassermusik“­ den Saal zum ­Kochen.

Götzis Als 2005 das damals neu gegründete Barockorchester „Concerto Stella Matutina“, kurz CSM, in der Kulturbühne AmBach seine Pforten für eine neue Konzertreihe öffnete, da mieden die Veranstalter barocke Hits wie der Teufel das Weihwasser. Sie wollten ihr Publikum nicht mit Abgedroschenem wie Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ oder den „Brandenburgischen“ von Bach erobern. Denn damit stieß man nur auf die Meinung der Zuhörer im damaligen Brachland Vorarlberg: „Barock klingt doch immer gleich. Und immer gleich langweilig!“

Fachleute begannen zu zweifeln, ob das mit dem Konzertzyklus wohl gut gehen würde. Doch die Leute von CSM wie Bernhard Lampert, Thomas Platzgummer oder Johannes Hämmerle waren findig genug, ihr Publikum auf Dauer mit spannend gestalteten Themen, Porträts unbekannter Barockkomponisten oder interessanten Gästen in bisher über 80 Programmen bei der Stange zu halten – so sehr, dass vor Kurzem sogar jedes der fünf Abo-Konzerte gleich zweimal angesetzt werden musste. Und niemand findet heute Barockmusik noch langweilig, im Gegenteil.

Die „Wassermusik“

Nun aber, nach bald 20 Jahren, wollte man doch einmal dieses selbstgewählte Verbot hinterfragen und setzte am Wochenende im 4. Abo-Konzert mit Händels „Wassermusik“ glatt einen Barockhit aufs Programm. Es ließ sich mit der Titelzeile „Alles fließt AmBach“ ja auch eine so schöne Verbindung mit dem Namen des Konzertortes finden und dazu mit dem großartigen italienischen Oboisten und Dirigenten Alfred Bernardini auch einen Publikumsliebling von internationalem Format, der etwa im Jahresabstand in Götzis auftaucht und das Auditorium und die Musiker dabei jedes Mal mit neuen Einfällen überrascht.

So dirigiert er, moderiert, spielt kurze Einwürfe auf seiner Oboe und ist der quirlige Mittelpunkt des Geschehens, trotz Komödiantik mit höchsten Ansprüchen an Präzision, Qualität und Originalklang der Musiker und ihre Leidenschaftlichkeit. Und das gelingt denn auch in großer Ausrüstung mit Pauken, Trompeten, Hörnern und sattem Streicherapparat für ein Werk, das eigentlich nichts weiter sein wollte als unterhaltsame Musik für ein Picknick des englischen Königs George I. an der Themse. Dem haben diese kurzen Tanzsätze der Suiten so sehr gefallen, dass er das Werk gleich dreimal hören wollte – eine Idee, die wohl auch heute manchem Besucher gefallen hätte.

Aber „CSM“ hat weiteres passendes Material zum Thema „Wasser“ im Köcher, nämlich zwei Suiten von Telemann, der seine vor genau 300 Jahren entstandene Wassermusik „Hamburger Ebb‘ und Fluth“ und die „Alster-Ouvertüre“ von einer ganz anderen Seite als Programmmusik versteht und souverän mit klangmalerischen Mitteln austattet.

Er lässt im Sturm die antiken Fluss- und Windgötter erscheinen, konterkariert sie mit Lauten von Schwänen, Kirchenglocken, Fröschen und Schiffshörnern. An den schrägen Harmonien einer „Dorff Music“ und dem stampfenden Tanz der trunkenen Seeleute ergötzen sich die Musiker und ihr Leiter nicht weniger als die begeisterten Zuhörer. JU

Bernardini zusammen mit der Blockflötistin Elisabeth Baumer und Johannes Hämmerle am Cembalo.
Bernardini zusammen mit der Blockflötistin Elisabeth Baumer und Johannes Hämmerle am Cembalo.