Höhenflug mit Leo McFall

Symphonieorchester Vorarlberg begeistert mit Berg und Schostakowitsch.
Bregenz/Feldkirch In diesem schwierigen Herbst bietet das Programm des Symphonieorchesters Vorarlberg nur Erfreuliches: Konnte man im ersten Konzert in fast kammermusikalischer Besetzung heitere Musik um 1800 hören, so standen nun zwei ikonische und herausfordernde Werke des 20. Jahrhunderts in großer Besetzung auf dem Programm: Alban Bergs Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ und Dmitri Schostakowitschs Achte Symphonie. Um es gleich vorwegzunehmen: Unter dem Dirigat seines Chefdirigenten Leo McFall schwang sich das Orchester zu einem Höhenflug auf, der das Publikum zwei Stunden lang in atemloser Spannung hielt.

Großen Anteil daran hatte die Geigerin Antje Weithaas. Obwohl es in Zwölftontechnik komponiert ist, hat Bergs Violinkonzert geradezu romantische Züge und ist nicht nur Totenklage um die jung verstorbene Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius, sondern evoziert im 1. Satz Erinnerungen an die lebhafte und liebenswerte Manon. Weithaas spielte ihren durchaus virtuosen Part ohne Virtuosengehabe, eher sportlich, sehr intensiv und expressiv, schlank, manchmal fast zerbrechlich, am Beginn des 2. Satzes geradezu wütend und kämpferisch. Im perfekten Wechselspiel mit dem Orchester entstand so ein ungemein dichtes Klanggeflecht, mit schrillen Einbrüchen des Orchesters und ruhigen Passagen, bis der Bachchoral „Es ist genug“ zu einem sanften Ende führte. Ihre Klasse zeigte Weithaas auch in der Zugabe, einem Satz aus einer Bach-Solosonate, den sie sehr persönlich mit tastendem, suchendem Gestus gestaltete. Stecknadelfallstille im Saal.

Dass McFall mit dem SOV Schostakowitsch hinreißend interpretieren kann, konnte man bei den Festspielen im 2. Cellokonzert mit Kian Soltani als Solisten miterleben. Dass dies auch bei der einstündigen Achten Symphonie gelang, beweist die noch einmal gesteigerte Qualität der Zusammenarbeit. Schon der Beginn zeigte McFalls Stärken: Die Bässe setzten wuchtig, aber nicht brutal ein, der Dirigent lässt Linien sich entwickeln und entfaltet eine Spannung, die über die ganze Dauer des Riesenwerkes anhält und die innere Architektur hörbar macht.
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Er dirigiert mit nobler Zurückhaltung, mit ökonomischen, dennoch klaren Gesten, das dynamische Spektrum reicht vom gehauchten Pianissimo bis zu tosenden Forte-Ausbrüchen.

Die Orchestermusikerinnen und -musiker folgen ihm mit Leidenschaft und Präzision: Man weiß nicht, wen man hervorheben soll: die fünfköpfige Schlagwerkriege + Pauken, das Englischhorn, die Flötengruppe mit der besonders geforderten Piccoloflöte, die Solotrompete, die Streicher mit den solistischen Stimmführern und andere – alle gaben ihr Bestes, und das war wirklich gut. Die intensive Trauer dieser Musik, die Auseinandersetzung mit Krieg und persönlichen Schwierigkeiten, aber auch ihre Schönheit wurden für das konzentriert lauschende Publikum hörbar und fühlbar. Eine denkwürdige Sternstunde.
Ulrike Längle
Konzert 3
Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr
Sonntag, 3. Dezember, 17 Uhr
Festspielhaus Bregenz
Programm
William Bolcom
Commedia for (Almost) 18th-Century Orchestra
Carl Nielsen
Flötenkonzert
Jean Sibelius
Symphonie Nr. 3 C-Dur op. 52