Neue Musik aus Russland

Kultur / 10.11.2023 • 14:45 Uhr
Bereits 2016 erteilte Klaus Christa Elena Firsova den Kompositionsauftrag für ihr Klavierquartett op. 146.  <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Bereits 2016 erteilte Klaus Christa Elena Firsova den Kompositionsauftrag für ihr Klavierquartett op. 146. Fritz Jurmann

Die 73-jährige Elena Firsova schrieb für die Pforte ein Klavierquartett, das uraufgeführt wurde.

FELDKIRCH Tagsüber wurde auf den Straßen der Stadt Krieg gespielt, in einer sehr realistisch geführten Übung des Bundesheeres für den Fall eines Einsatzes gegen Terroristen. Am Abend herrscht schon wieder beschauliche Ruhe, im Pförtnerhaus wird gediegen konzertiert. Und dennoch wird man auch hier indirekt an die latenten Kriegsereignisse nicht weit von unserer Haustür entfernt erinnert.

Die 1950 in Leningrad geborene Elena Firsova lebt seit 1991 in Großbritannien.    <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Die 1950 in Leningrad geborene Elena Firsova lebt seit 1991 in Großbritannien. Fritz Jurmann

Denn die Komponistin Elena Firsova, die im Mittelpunkt des fünften Abends im Rahmen der „Musik in der Pforte“ steht, stammt aus Russland.
Doch es sind von ihr auch im vorbereitenden „Impuls um halb“ keinerlei politische Stellungnahmen zu vernehmen. Die 1950 in Leningrad geborene Künstlerin lebt seit 1991 in Großbritannien und ist mit ihrer Musik auch international gefragt, mit Aufführungen etwa in Köln, Paris, Venedig und London. 2016 erteilte Klaus Christa, Kurator der „Pforte“, Firsova den Kompositionsauftrag für ihr Klavierquartett op. 146, das durch verschiedene Umstände aber damals nicht am Bestimmungsort aufgeführt werden konnte.

Die Tonsprache gibt sich konsequent modern, aber gut konsumierbar.   <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Die Tonsprache gibt sich konsequent modern, aber gut konsumierbar. Fritz Jurmann

Inzwischen ist das Werk bereits für eine CD eingespielt, und nun endlich sind auch die äußeren Bedingungen für eine Uraufführung in der Pforte günstig. Ein unter dem Namen der französischen Komponistin Louise Farrenc tätiges internationales Ensemble aus exzellenten russischen, japanischen, tschechischen und heimischen Musikern von der Stella (Klaus Christa, Viola, und Mathias Johansen, Violoncello) erhebt das Werk zu einem besonders intensiven und berührenden Ereignis.

Die Komponistin Elena Firsova im Applaus nach der Uraufführung ihres Klavierquartetts. <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Die Komponistin Elena Firsova im Applaus nach der Uraufführung ihres Klavierquartetts. Fritz Jurmann

Firsova pflegte nach ihrer Ausbildung am Moskauer Konservatorium ähnlich wie Schostakowitsch nicht den staatlich verordneten Musikstil, sondern ging eigene Wege. Heute gesteht sie freimütig, dass für die einzelnen Sätze des neuen Klavierquartetts namhafte Künstler der russischen Szene Pate gestanden sind, nämlich am Beginn Osip Mandelstam, dem sie als Poeten viele Inspirationen verdankt, im zweiten Satz Schostakowitsch und im dritten Edison Denisov, eine der führenden Persönlichkeiten der sowjetischen zeitgenössischen Musik, den sie seit 1975 kennt. So gestaltet sie den Auftakt kurz und knapp, in einer streng aufeinander bezogenen Dichte der Stimmführung. Ihre Tonsprache gibt sich konsequent modern, aber gut konsumierbar und offenbart im zweiten Teil in einer seltsamen Harmonie duftig zarte, diffizile Töne, die sich im dritten Satz mit oft beklemmenden Phrasen expressiv und in voller Härte der klanglichen Möglichkeiten entladen. Eine starke, beeindruckende Arbeit, die vom zahlreichen Publikum mit viel Beifall für die Komponistin und das Ensemble aufgenommen wird.

Viel Beifall für die Komponistin und das Ensemble.  <span class="copyright">Fritz Jurmann</span>
Viel Beifall für die Komponistin und das Ensemble. Fritz Jurmann

Eingerahmt wird die im Zentrum stehende Pforte-Uraufführung durch zwei Werke, die durch ihre Hinwendung zu östlichen volksmusikalischen Elementen inhaltlich verbunden sind und damit gewissermaßen die Klammer um das Werk von Firsova ergeben. Am Beginn steht ein kurzes Streichquartett der Wienerin Maria Bach (1896 – 1978), das nach etwas bemühten Variationen über ein griechisches Klagelied durch den zweiten Satz, „Tempo di Bolero“, unangenehm auffällt. Das ist nichts als eine kammermusikalisch eingedampfte, in vielen Elementen frappant an Ravels Glanzstück erinnernde Blaupause im Miniformat. Gerade wenn man Bach heißt, sollte man lieber Eigenes versuchen, als sich als Epigone im Fahrwasser anderer zu tummeln.

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Dafür entschädigt dann eine wirklich mustergültige Aufführung von Béla Bartóks opulentem Klavierquintett in C-Dur, einem Meisterwerk, das in seiner leicht herben Süße und dem wunderbar ergreifenden Klangkosmos in fast orchestraler, voller Schönheit ersteht und die Zuhörer mitreißt.


FRITZ JURMANN

Weitere Aufführung 11. November, 17 Uhr, Frauenmuseum Hittisau

Letztes Konzert der Pforte-Saison: 30. November, 19 Uhr, 1. Dezember, 20 Uhr, Pförtnerhaus Feldkirch