Aufwändig und geschmackvoll

Künstler Marbod Fritsch präsentiert zu seinem 60. Geburtstag einen umfangreichen Werkschaukatalog.
Bregenz Marbod Fritsch, der dieser Tage seinen 60. Geburtstag begeht, stellt im Eigenverlag ein umfangreiches, über 150 Seiten starkes Werkschaubuch mit zahlreichen Abbildungen (Fotografien u. a. von Günter König, Petra Rainer, Darko Todorovic, Miro Kuzmanovic, Eva Kelety) mit Werken von 2009 bis 2023 vor.
Thomas D. Trummer, Direktor des Kunsthauses Bregenz, den Fritsch für sein Vorhaben gewinnen konnte, schreibt in seinem Vorwort: „Durch die Auseinandersetzung mit philosophischen Konzepten, der Befragung von Realität und Illusion, von Raum und Zeitlichkeit, des Ich und seiner Repräsentation, schafft Fritsch Kunstwerke, die dazu anregen, über die Wirkkraft von Bildern und die Grenzen der Selbstwahrnehmung nachzudenken.“
Zeichenhafte Codes
Fritsch bedient sich textueller und zeichenhafter Codes, um die Auflösung und Erzeugung von Realität zu thematisieren. Es interessiert ihn, durch Verdichtung und Überlagerung von verschiedenen Bedeutungsebenen neue Schichten zu erzeugen. Fritschs faszinierende raumgreifende Installation war im Mai dieses Jahres im Bildraum Bodensee zu sehen, ein bedruckter Kettenvorhang, der einer Wasserkaskade gleich den Hauptraum in der Mitte teilt, beschäftigt sich auf poetische Art und Weise mit unserem Leben: „Und manchmal staune ich, dass ich tatsächlich lebe“, ein Zitat aus dem Film „Rivers and Tides“ von Thomas Riedelsheimer, einer Dokumentation über den britischen Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy. Dieser Film begleitet Marbod Fritsch bereits seit über 20 Jahren – er erdet und beflügelt ihn zugleich. Fein empfunden ist seine Arbeit „ICHICHICH“, einem Paravent gleich, die drei Buchstaben des ICH so aneinander gekettet, dass neue Wörter wie CHICH oder auch CHI (22. Buchstabe des griechischen Alphabets, Symbol für Jesus Christus, ein Buchstabe, der auch das Kreuz symbolisiert) entstehen.
„You are wonderful“
Seine Skulptur „You are wonderful“ (2011) vor und auf der Fassade der Arbeiterkammer in Feldkirch („Kunst am Bau“-Wettbewerb) greift ebenfalls eine reale und eine Metaebene auf. Der Satz „You are wonderful“ stammt vom schottischen Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (er besuchte in Feldkirch das Jesuitengymnasium Stella Matutina), er sagte diese Worte auf dem Sterbebett zu seiner Frau Jane am 7. Juli 1930.
Hervorzuheben sind vor allem Fritschs „Kunst am Bau“-Projekte für den Campus Schendlingen, ob „Die guten Geister von Schendlingen“ (2017), Schüler der Volksschule haben sich hier mit dem Konzept von „Hausgeistern“ auseinandergesetzt, oder „Der Schneider von Ulm“ (2017), ein Bert-Brecht-Gedicht, inspirierte die Schülerinnen zu einer Serie von Bleistiftzeichnungen, die dann mittels Pimentdruck auf einen Teppich gedruckt wurden, wie auch „Ein Wandbild“ (2017) und das Objekt „Der lange Atem“ (2017). Auch die erst 2023 geschaffene Installation „GE-SCHICHTE“ an der Fassade der Mittelschule Bregenz Stadt wurde in diesen großzügig bebilderten Katalog aufgenommen. Ein Bild des Schmunzelns bietet die Fotografie des Objekts „Der Feigling“ (2018), ein Hochstand, der in die Knie geht. Aus einem Symbol für Kontrolle, Überwachung und vermeintlicher Überlegenheit wird plötzlich eine ängstliche Erscheinung.
Wettbewerbsbeiträge
Bereits 2013 produzierte Fritsch einen „Schlafenden Künstler“ mittels Pistenraupe auf einer Fläche von 200 Quadratmetern im schneebedeckten Auenfeld/Hochkrumbach. In diesem Katalog sind auch Wettbewerbsbeiträge von Fritsch abgebildet, darunter Schloss Mansfeld/Weingarten und „Ein Denkmal für den Weingartner Vertrag“ (2022). Mit dieser Installation errang Fritsch den ersten Platz. Auch Fritschs grafischem, zeichnerischem Œuvre sind einige Seiten gewidmet. Auf den ersten Blick erinnern sie an Raumkonzepte, Echokammern, an „Kerker der Phantasien“. Sie liefern den Betrachter aber einer Welt der Zwischenräume aus.
Die Linien in ihrer Dichte kreuz und quer, tausendfach, führen in die Irre; wechselnde Perspektiven und Größenverhältnisse sorgen für fortwährende Irritationen; Innen- und Außenräume sind nicht voneinander zu unterscheiden. Wie sagte der große französische Filmemacher Jean Luc Godard, einer der geistigen Väter von Marbod Fritsch: „Real ist, was zwischen den Dingen ist und nicht das Ding selbst“. So lautet auch der Titel dieses aufwändig und geschmackvoll von Super BfG in Egg gestalteten Werkschaukatalogs. THS


Marbod Fritsch, Werkschau 2009-2023, „Real ist, was zwischen den Dingen ist und nicht das Ding selbst“, 150 Seiten, Eigenverlag, www.marbodfritsch.com