Was sagt der Verstand, was das Herz?

Bernhard Schlink wirft im neuen Roman „Das späte Leben“ große Fragen auf.
Roman Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs wirft wohl jeden aus der Bahn. Das geht auch dem pensionierten Professor so, den Bernhard Schlink zum Protagonisten seines Buchs auserkoren hat. Doch Martin fühlt sich ohnedies bereits reich vom Leben beschenkt, seit ihn eine attraktive Studentin zu ihrem Lebenspartner auserwählt hat. Jetzt beschäftigt ihn vor allem die Frage, was er seinem Sohn für sein Leben hinterlassen möchte. Keine leichte Antwort, wie er feststellt, als er sich zu einer Art Abschiedsbrief hinsetzt.
Noch schwieriger ist es, für sich zu beantworten, ob er sich Eifersucht gestatten darf, als er zu ahnen beginnt, dass seine Frau eine Affäre begonnen hat, oder ob er erleichtert sein sollte, dass sie offenbar nicht alleine und ungetröstet zurückbleiben wird, wenn es so weit ist. Was sagt der Verstand dazu – und was das Herz? Der einstige Spitzenjurist Schlink, der Spezialist für Verfassungsrecht war, hat sich auch als Schriftsteller immer schon über Grundsatzfragen Gedanken gemacht. Auch in „Das späte Leben“ lässt er spüren, dass es ihm nicht einfach darum geht, eine Geschichte zu erzählen. Das macht es nicht einfacher – für die handelnden Personen nicht, und auch nicht für die Leser. Doch am Ende bedeutet Glück einen Blick auf die untergehende Sonne und die Nähe eines Menschen. Viele Worte braucht es dafür nicht mehr. CRO
Das späte Leben, Bernhard Schlink, Diogenes Verlag, 240 Seiten