Das Theaterjahr beginnt mit einem Paukenschlag

“Die Bagage” von Monika Helfer im Theater Kosmos.
Bregenz Das Studio Theater Stuttgart präsentierte im Theater Kosmos in Bregenz die dramatisierte Fassung von Monika Helfers „Die Bagage“, bearbeitet und inszeniert von Lisa Wildmann. Jede Vorstellung war ausverkauft – ein deutliches Zeichen für die Faszination und Kraft des Romans.

“Die Bagage“, ein literarisches Meisterwerk von Monika Helfer, besticht durch seine bemerkenswerte Erzählkunst. Helfers Fähigkeit, eine komplexe Familiengeschichte mit einer präzisen und direkten Sprache zu erzählen, macht den Roman zu einem fesselnden Leseerlebnis. Der Roman zeichnet sich durch seine außergewöhnliche Lesbarkeit, seine dichte Erzählstruktur und seine kluge Komposition aus. Es ist ein Werk, das nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch besticht und den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Lisa Wildmann ist mit ihrer Bearbeitung des Romans für das Theater eine kongeniale Leistung und ein herausragendes Beispiel für Bühnenkunst gelungen. Sie transformiert Helfers nuancenreiche Erzählung so klar und einfühlsam in die Sprache des Theaters, dass sie das Publikum sofort in ihren Bann zieht.

Die Handlung spielt in einer scheinbaren ländlichen Idylle. Das Häuschen von Maria und Josef liegt etwas abseits in einem Vorarlberger Bergdorf, die Familie scheint ein abgeschiedenes, aber glückliches Leben zu führen. Als Josef in den Krieg einberufen wird, bleibt Maria mit ihren vier Kindern allein zurück. Der Bürgermeister des Dorfes, Gottlieb Fink, verspricht, sich um Maria zu kümmern, nutzt die Situation jedoch aus und bedrängt sie.

In diese Zeit fällt auch die – platonische? – Liebesbeziehung zwischen Maria und dem Deutschen Georg, den sie auf einem Markt kennenlernt. Die Geburt von Grete, der Mutter der Ich-Erzählerin, sorgt im Dorf für Aufsehen und Gerüchte, da bezweifelt wird, dass Josef tatsächlich der leibliche Vater ist. Das Thema der ungewissen Herkunft wird für die Ich-Erzählerin zur Belastung.

Sprachlich präzise und biografisch ehrlich erzählt, wird Monika Helfers Familiengeschichte lebendig und greifbar. Die von den Erfahrungen der Autorin geprägten Figuren erhalten eine universelle Bedeutung und zeichnen ein eindrucksvolles Bild vom Leben im Ersten Weltkrieg. Die Geschichte von Helfers Großeltern Maria und Josef wird mit einer Authentizität und Lebendigkeit dargestellt, die das Publikum von der ersten Szene an fesselt.

Die Darstellung der Figuren ist intensiv und nah. Besonders berührend ist die abschließende Einbindung der Geschichte von Monika Helfers Tochter Paula, die das Stück in einem emotional tiefgehenden Finale gipfeln lässt.
Gundi-Anna Schick in der Rolle der Monika Helfer zeigt eine beeindruckende Leistung. Ihre Darstellung ist nuanciert, gefühlvoll und mit einer beeindruckenden Sprechweise versehen. Nathalie Imboden verkörpert die Rolle der Maria mit ergreifender Schönheit und berührender Einfachheit. Besonders in den Momenten, in denen es um den Schutz und das Wohlergehen ihrer Familie geht, ist ihre Darbietung von beeindruckender Stärke. Sie stellt Maria als eine Frau dar, die nicht nur Begehrlichkeiten weckt, sondern selbst von tiefer Sehnsucht und starkem Verlangen erfüllt ist.

Die beiden Schauspielerinnen beweisen ihre Vielseitigkeit, indem sie von einer Sekunde auf die andere in andere Rollen schlüpfen. Mit beeindruckender Leichtigkeit und ohne Kostümwechsel oder zusätzliche Requisiten gelingt es ihnen, nahtlos und überzeugend zwischen den Charakteren zu wechseln.

Elias Wildmann in der Rolle von Marias Sohn Lorenz zeigt ebenfalls ein beeindruckendes Talent.

Die Inszenierung von Lisa Wildmann ist ein Musterbeispiel für Sensibilität und Intelligenz im Theater. Wildmanns Fähigkeit, komplexe Charaktere und emotionale Tiefe auf die Bühne zu bringen, ist außergewöhnlich und verdient höchste Anerkennung. Das Sounddesign von Julia Klomfaß und das Lichtdesign von Daniel Winkenbach schaffen eine Atmosphäre, die je nach Szene warm und liebevoll oder düster und bedrückend ist. Die musikalische Untermalung, insbesondere die Verwendung der Lohengrin-Ouvertüre bei Marias erster Begegnung mit Georg und der Sequenz, in der sie von ihm träumt, verstärken die emotionale Wirkung.

„Die Bagage“ im Theater Kosmos ist ein außergewöhnliches Theatererlebnis, das durch eine tiefgründige Erzählung und herausragende schauspielerische Leistungen besticht. Ein Stück, das nicht nur Theaterliebhaber begeistern wird, sondern auch jene, die sich für die menschlichen Geschichten hinter historischen Ereignissen interessieren. Ein absolutes Erlebnis und ein fulminanter Start ins Theaterjahr.