Vor der Kamera ist hinter der Kamera

Die amerikanische Künstlerin Cindy Sherman, die auch im KUB ausstellte, wird 70 Jahre alt.
Bregenz/New York Cindy Sherman ist vielen Vorarlbergern noch durch ihre Ausstellung im Kunsthaus Bregenz in bester Erinnerung. Das KUB zeigte 2006/2007 Fotografien der New Yorker Künstlerin Cindy Sherman. Die Retrospektive mit über 250 Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 2005 zeigte die Entwicklung der amerikanischen Fotokünstlerin von ihren Anfängen bis heute.

“The day after” hat Cindy Sherman eines ihrer jüngsten Werke genannt – am Stefanitag auf Instagram hochgeladen. Natürlich wieder ein Selbstporträt der Fotokünstlerin, wie sie es in den vergangenen Jahrzehnten zu Hunderten in den unterschiedlichsten Verkleidungen gemacht hat. Doch das vergangene Jahr hat auch Shermans Arbeit verändert – denn für die Bilder im Internet nutzt sie künstliche Intelligenz. Sie spiele nur ein bisschen herum”, sagt sie. Am 19. Januar wird sie 70 Jahre alt.

Bekannt wurde Sherman als künstlerisches Chamäleon, das sich mithilfe von Make-up, Perücken und anderen Accessoires in verschiedene Charaktere verwandelte und dabei alltägliche Stereotypen aufdeckte. Ihre Fotografien erzielen auf dem Markt Millionenpreise. Shermans Kunst wird von Kritikern, Bewunderern und Kollegen gefeiert. “Man kann kein Foto mehr machen, ohne die ganze Geschichte von Cindy Shermans Werk dahinter zu haben”, sagte die Künstlerin Marilyn Minter einmal. Sherman erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

Sherman wurde 1954 in einer Kleinstadt in New Jersey geboren, wuchs aber auf Long Island östlich von New York auf. Als jüngstes von fünf Kindern fühlte sie sich in ihrer Familie manchmal als Außenseiterin. Später erinnerte sie sich: “Es war nicht so, dass sie mich nicht mochten, aber ich kam so spät, und sie hatten schon eine Familie. Die Familie besuchte Manhattan mit seiner reichen Kulturszene nur einmal im Jahr für die Weihnachtsshow in der Radio City Music Hall. Nach ihrem Studium in Buffalo ermöglichte ihr ein Stipendium der US-Kunststiftung den Umzug nach Manhattan.

Sherman tauchte in die Kunstszene der Metropole ein und wurde schnell zum Star. Statt klassischer Motive wie Schönheit und Anmut konzentrierte sie sich auf die Leere und thematisierte Sex und Gewalt. In Interviews gab sie an, schon als Kind von der Hässlichkeit fasziniert gewesen zu sein.

Sherman porträtiert Figuren aus Antike, Malerei, Literatur, Märchen, Film und Mode. Sie ist ihre eigene Maskenbildnerin, Friseurin, Regisseurin und Kamerafrau. In ihrer Wohnung im Szeneviertel SoHo inszeniert sie sich als laszive Marilyn Monroe, als Model, als erhabene Muttergottes oder als kreideweiße Leiche mit erloschenen Augen.

In einer Retrospektive mit über 250 Werken zeigte das Kunsthaus Bregenz die erste große Einzelausstellung der Künstlerin in Österreich. Die Schau umfasste alle Schaffensperioden von den frühen Fotografien der 1970er Jahre bis zu den aktuellen Clown-Serien aus den Jahren 2003 und 2004, wobei die Arbeiten von Cindy Sherman bis auf wenige Ausnahmen in großen Werkgruppen, ihrer Zusammengehörigkeit entsprechend und meist in chronologischer Reihenfolge präsentiert wurden. Obgleich Querverbindungen und Überschneidungen möglich und die Grenzen zwischen den Serien mitunter fließend sind, konnten Serie und Chronologie als Grundmuster im Werk der Künstlerin angesehen werden.

Nach einigen schlagzeilenträchtigen Beziehungen, unter anderem mit David Byrne, dem Sänger der Talking Heads, dem Künstler Richard Prince und dem Filmemacher Michel Auder, lebte Sherman lange Zeit als Single. Doch der Kunst ist sie treu geblieben, zunehmend auch im Kontext von KI. “Ich weiß nicht, ob ich sie als Werkzeug benutzen würde, aber sie gibt mir Ideen”, sagte sie kürzlich in einem Interview. “Bei manchen Figuren scheinen aus einem Arm zwei Hände zu wachsen oder das Gesicht wirkt irgendwie zerhackt.” Das inspiriere sie zu neuen Arbeiten.