Flinke Finger und rote Socken

Kultur / 13.02.2024 • 15:05 Uhr
Der "Orgelfasching" ist seit Jahrzehnten traditioneller Treffpunkt humorvoller Orgelfreunde. <span class="copyright">fritz jurmann</span>
Der "Orgelfasching" ist seit Jahrzehnten traditioneller Treffpunkt humorvoller Orgelfreunde. fritz jurmann

Helmut Binders übermütiger Orgelfasching im neuen Akustik-Design der Herz-Jesu-Kirche.

BREGENZ So sicher wie das Christkind an Weihnachten erscheint auch Helmut Binder am Rosenmontag in der Herz-Jesu-Kirche, um seinem Ungetüm von Behmann-Orgel Spaßiges zu entlocken. „Orgelfasching“ nennt sich das und ist seit Jahrzehnten zum traditionellen Treffpunkt humorverliebter Orgelfreunde aus dem ganzen Land geworden. „Same procedure as every year“ also? Mitnichten! Denn diesmal gab es dort eine aufsehenerregende Neuerung. Erstmals war die historische Orgel von 1931 in einer veränderten Raumakustik zu hören, die den oft bewunderten wie kritisierten übermäßigen „Kathedralhall“ des alten Backsteinbaues auf ein erträgliches Maß einschränkte und damit die Verständlichkeit für die Zuhörer erhöhte.

Helmut Binder ist seit über 40 Jahren „Hausorganist“ von Herz-Jesu. <span class="copyright"> fritz jurmann</span>
Helmut Binder ist seit über 40 Jahren „Hausorganist“ von Herz-Jesu. fritz jurmann

Dafür wurden durch Akustiker der Bregenzer Festspiele konkrete bauliche und technische Maßnahmen gesetzt. Helmut Binder, seit über 40 Jahren „Hausorganist“ von Herz-Jesu, im VN-Interview: „Es wurden Lehnen und Sitzflächen der Kirchenbänke mit schalldämmendem Material ausgestattet, was gleichzeitig auch den Sitzkomfort erhöht. An den Wänden sind Absorber angebracht, die den Nachhall reduzieren. Somit konnte die bisherige Nachhallzeit von über sieben Sekunden auf fünf Sekunden reduziert werden. Vor allem die Verständlichkeit von Chören und Vokalsolisten im Altarraum, die bisher bei Konzerten durch den übermäßigen Hall oft stark beeinträchtigt waren, hat sich nun deutlich gebessert.“

Die gesamte Sanierung hat so viel gekostet wie die letzte Orgelrestaurierung, nämlich rund 300.000 Euro. <span class="copyright">fritz jurmann</span>
Die gesamte Sanierung hat so viel gekostet wie die letzte Orgelrestaurierung, nämlich rund 300.000 Euro. fritz jurmann

Neben den musikalischen Anforderungen hat man dabei auch an das gesprochene Wort Gottes im Kirchenraum gedacht und eine top moderne Verstärkeranlage installiert. Helmut Binder: „Die gesamte Sanierung hat so viel gekostet wie die letzte Orgelrestaurierung, nämlich rund 300.000 Euro, und wird vom Kirchenrat der Pfarre übernommen.“ Freilich ist dieser Eingriff in die Raumakustik nicht ohne Auswirkungen auf den vielgerühmten Klang der Orgel geblieben. Binder bedauert: „Die elementare Mächtigkeit des Instruments ist dadurch schon etwas beeinträchtigt und klingt nun gedämpfter. Dafür kommt in der verstärkten Präsenz die Farbigkeit und Schönheit der einzelnen Register besser zur Wirkung.“
Der Eindruck am Montag beim Orgelfasching entspricht genau Binders Einschätzung. Es fehlt bei den pompösen Pleno-Ausbrüchen der klangmächtigen alten Orgel der bisher so bewunderte Wow-Effekt für die Zuhörer.

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Dafür erfreut man sich an anderen speziellen Feinheiten, etwa das blitzschnelle Umregistrieren vorprogrammierter Klang-Einstellungen durch eine neue Setzeranlage. Die Registrantin muss heute nur noch umblättern. Binders Switchen seiner flinken Finger auf drei Manualen, seine Pedalarbeit in knallroten, zum Markenzeichen gewordenen Socken werden wie in den letzten Jahren vom Filmclub Bludenz aufwendig und kostenlos mit vier Kameras auf eine Großleinwand übertragen. Dabei erkennt man auch Binders Gesicht in Großaufnahme und damit jedes Detail seiner aktuellen Stimmungslage: Orgelkino vom Feinsten!

Standing Ovations gab es für das Konzert, nicht für die roten Socken.  <span class="copyright">fritz jurmann</span>
Standing Ovations gab es für das Konzert, nicht für die roten Socken. fritz jurmann

Binders Konzerte sind der Beweis, dass es nichts gibt, was man nicht auch auf einer Orgel spielen könnte. Er macht die gemütliche „Tik Tak“-Polka von Strauß in einer TikTok-Polka zur App, lässt seine „alte Dame“ in den „Dorfgeschichten“ einen behäbigen Walzer tanzen, greift mit Dvoráks „Humoreske“ („Eine kleine Frühlingsweise“) tief in Großmutters Mottenkiste. Nach genau einer Stunde Literatur startet Binders Improvisationsfinale, das er stets mit besonderer Meisterschaft auszeichnet. Diesmal mengt er faschingsmäßig schwer Verdauliches wie Peter Kreuders Evergreen „Ich brauche keine Millionen“ mit den Blödelsongs „Wer hat an der Uhr gedreht?“ und „Mahna-Mahna“ durch den Fleischwolf. Gemeinsam lösen sie in der vollbesetzten Kirche kollektive Standing Ovations aus.


FRITZ JURMANN
Nächstes Konzert in Bregenz Herz-Jesu: 3. Mai, 19.30 Uhr, Chor-Orgelkonzert (Requiem Gabriel Fauré)