Hier schweigen die Lämmer nicht

Kultur / 15.02.2024 • 15:30 Uhr
Das "Fest des Lamms" ist eine außergewöhnliche Reise in das Herz des Surrealismus.
Das "Fest des Lamms" ist eine außergewöhnliche Reise in das Herz des Surrealismus.

Ein surrealistisches Meisterwerk erwacht: „Das Fest des Lamms“ am Vorarlberger Landestheater.

Bregenz Das Vorarlberger Landestheater hat mit seiner jüngsten Inszenierung von Leonora Carringtons „Das Fest des Lamms“ einen mutigen und faszinierenden Start ins neue Theaterjahr gewagt. Nach den beiden denkwürdigen Aufführungen „Bagage“ und „Antigone“ im Theater Kosmos startet das Landestheater nun mit einem Stück, das sich radikal von den beiden Kosmos-Produktionen unterscheidet und das Publikum auf eine außergewöhnliche Reise ins Herz des Surrealismus einlädt.

Die Wildheit der Tiere und die Ungezähmtheit der Natur werden als Gegenentwurf zur menschlichen Zivilisation dargestellt.
Die Wildheit der Tiere und die Ungezähmtheit der Natur werden als Gegenentwurf zur menschlichen Zivilisation dargestellt.

Obwohl Carrington oft mit dem Surrealismus in Verbindung gebracht wird, lehnte sie selbst diese Etikettierung ab. Ihr Anliegen war es, als eigenständige Künstlerin wahrgenommen zu werden, deren Werk eine unverwechselbare Sprache spricht – eine Sprache, die aus sich selbst heraus verständlich ist und sich nicht in die konventionellen Kategorien der Kunstgeschichte einordnen lässt.

Auch optisch hat die Produktion einiges zu bieten.
Auch optisch hat die Produktion einiges zu bieten.

Carringtons Faszination für Märchenfiguren, Fantasiewelten und fantastische Landschaften spiegelt sich deutlich in „Das Fest des Lamms“ wider. Die Darstellung taucht ein in Carringtons Vision einer Welt, in der die Wildheit der Tiere und die Ungezähmtheit der Natur als Gegenentwurf zur menschlichen Zivilisation stehen. Diese Elemente sind nicht nur Fluchtwege in das Reich der Fantasie, sondern auch Mittel zur Erforschung und Begegnung mit verborgenen Anteilen des Selbst.

Maria Lisa Huber als Theodora, Philips zweite Frau Mary.
Maria Lisa Huber als Theodora, Philips zweite Frau Mary.

Die Handlung von „Das Fest des Lamms“ zu beschreiben, ist wie der Versuch, das Unfassbare in Worte zu fassen: Wir werden in einen Strudel bizarrer und unheimlicher Ereignisse hineingezogen, in dem Lämmer und ein Hirte geköpft werden, sprechende Tiere und eine Reihe menschlicher Figuren – darunter die alte Frau Carnis mit ihrem Hund, ihr kranker Sohn mit seiner vernachlässigten zweiten und plötzlich auftauchenden ersten Frau, aufmüpfige Diener und Schafe mit erstaunlich menschlichen Zügen – ein außergewöhnliches Ensemble bilden.

Die Erzählung entzieht sich jeder linearen Struktur.
Die Erzählung entzieht sich jeder linearen Struktur.

Dazu gesellen sich weitere skurrile Figuren wie ein werwolfähnliches Wesen, das für die Enthauptung der Schafe und des Schäfers verantwortlich zu sein scheint, der sprechende Hund Henry oder plötzlich auftauchende Geister. Diese vielschichtigen Elemente fügen sich zu einer Geschichte zusammen, welche die konventionellen Grenzen einer britischen Komödie sprengt und stattdessen eine intensiv surreale Welt erschafft, in der die Grenzen der Realität nicht nur verschoben, sondern gänzlich aufgehoben werden. Die Erzählung entzieht sich jeder linearen Struktur und lädt das Publikum ein, sich auf eine verstörende und zugleich zutiefst berührende Erfahrung einzulassen.

Raphael Rubino spielt die alte Mrs. Carnis.
Raphael Rubino spielt die alte Mrs. Carnis.

Die schauspielerische Leistung am Premierenabend ist außergewöhnlich. Das Ensemble, bestehend aus Rebecca Hammermüller, Nanette Waidmann, Maria Lisa Huber, Roman Mucha, Nico Raschner und Raphael Rubino, zeigt eine bemerkenswerte Fähigkeit, diese komplexen und oft grotesken Charaktere mit großer Hingabe, unvergleichlicher Spielfreude, Humor und der hier so wichtigen Präzision zum Leben zu erwecken.

Kostüme und Requisiten verstärken die surreale Qualität des Stücks.
Kostüme und Requisiten verstärken die surreale Qualität des Stücks.

Die Inszenierung selbst ist ein Triumph der Kreativität und des Einfallsreichtums. Ein minimalistisches Bühnenbild, das im Wesentlichen aus einem großen Vorhang besteht, lässt der Vorstellungskraft des Publikums freien Lauf und schafft eine ebenso traumhafte wie intensive Atmosphäre. Kostüme und Requisiten sowie unerwartete Elemente wie expressive Bewegungen und Choreografien verstärken die surreale Qualität des Stücks und laden die Zuschauer dazu ein, die Grenzen ihrer eigenen Vorstellungskraft zu erweitern. Musikalische Einlagen, etwa von Lehár, Kate Bush oder Baha Men, fügen eine weitere Ebene des Traumhaften hinzu und unterstreichen die Zeitlosigkeit und Universalität der Themen, mit denen sich Carrington auseinandersetzt.

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Das Stück verlangt sowohl von den Darstellern als auch von den Zuschauern Offenheit für Unbekanntes und oft Unverständliches. Wer bereit ist, sich auf das Erlebnis eines surrealen Theaterabends einzulassen, den erwartet eine herausragende schauspielerische Ensembleleistung und eine Inszenierung, die das kreative Potenzial und die Bedeutung von Carringtons Werk eindrucksvoll zur Geltung bringt.

Vorstellungen

Sa, 17.02.2024, 19.30 Uhr

Di, 20.02.2024, 19.30 Uhr

Do, 07.03.2024, 19.30 Uhr

So, 10.03.2024, 17.00 Uhr

Fr, 15.03.2024, 19.30 Uhr

Publikums­gespräch

So, 10.03.2024, 19.00 Uhr