Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Die deutsche Sprache leidet

Kultur / 16.02.2024 • 19:41 Uhr

Unsere Sprache leidet, denn sie wird immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Statt Worte zu verwenden, die jede und jeder versteht, werden Fremdwörter eingesetzt, die die meisten von uns zuerst einmal nachschlagen müssen, damit wir wissen, wovon die Rede ist. Bestimmte Situationen fördern solche Worte, so etwa war „vulnerabel“ das vielleicht am häufigsten verwendete Fremdwort während der Corona-Krise. Das Wort bedeutet verwundbar, verletzlich und wird auf einzelne Personen ebenso angewandt wie – und das vor allem – auf Gruppen. Vulnerable Gruppen waren während Corona etwa ältere Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen. Man hätte aber genauso gut von gefährdeten Gruppen sprechen können – und alle hätten das verstanden.

„Warum, beispielsweise, muss ich mich echauffieren, wenn ich mich ganz einfach aufregen könnte?

Solche Einflüsse und letztlich Veränderungen unserer Sprache sind natürlich nicht neu. Wir wissen alle um den Einfluss der lateinischen Sprache auf das heute gesprochene Deutsch, auch wenn uns die Herkunft im üblichen Sprachgebrach meist nicht mehr geläufig ist. Als Beispiel kann man „Das große Fremdwörterbuch“ aus dem Duden-Verlag nehmen, in dem nicht weniger als 85.000 Fremdwörter aus unserer Sprache angeführt und natürlich auch erklärt werden. Ein Standardwerk, das auf jeden Schreibtisch gehörte – bis man glaubte, dass Wikipedia in der Lage sei, ein solches Nachschlagewerk zu ersetzen. In diesem Lexikon sind viele Worte, die man nicht wirklich eindeutschen kann, bei denen das Fremdwort die klarere, kürzere Bezeichnung liefert. Beispiel gefällig? Das „Milieu“, ein gängiges Wort, das aus dem Lateinischen über das Französische in unsere Sprache gekommen ist. Es gibt mehrere Bedeutungen. Einmal meint man damit das soziale Umfeld; dann kann es aber auch den Lebensraum von Pflanzen und Tieren bedeuten; schließlich aber auch eine etwas verruchte Umgebung. Die jeweils geltende Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang – deshalb nimmt man einfach das Wort und muss keine weiteren Erklärungen geben.

Daneben werden aber heute deutsche Worte immer häufiger durch unnötige Fremdworte verdrängt. Warum, beispielsweise, muss ich mich echauffieren, wenn ich mich ganz einfach aufregen könnte, warum ist etwas obsolet statt überflüssig, warum oktroyiere ich jemandem etwas auf, satt dass ich es ihm aufzwinge, warum bin ich empathisch statt mitfühlend, warum eloquent statt sprachgewandt, warum ist etwas redundant, statt dass es sich wiederholt, warum trivial statt einfach, warum postfaktisch statt unsachlich, warum pittoresk statt malerisch, warum ist jemand impertinent statt unverschämt – die Beispiele ließen sich ins Unendliche fortsetzen.
Und wenn ich auch weiß, dass man das Rad der Geschichte, und somit auch jenes der Sprache nicht zurückdrehen kann, so sollten wir doch etwas mehr darauf achten. Deutsch ist eine wunderbare Sprache, in der man (fast) alles klar sagen kann. Wir müssen es nur tun.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.