Kein Woke gegen Woke
Antisemitismus überschattete nicht nur die Dokumenta, wie weit verbreitet der als Antizionismus und Antikolonialismus getarnte Hass auf Israel und die Juden in der Kunstwelt ist, wurde nach dem Anschlag vom 7. Oktober schmerzhaft bewusst. Berlins Kultursenator Joe Chialo präsentierte nun eine Antidiskriminierungsklausel, die ein Bekenntnis gegen den Antisemitismus zur Bedingung von Kunstförderungen machte.
Wer Förderungen will, sollte eine „Selbstverpflichtung“, ein Bekenntnis zu einer „vielfältigen Gesellschaft, gegen jedwede Diskriminierung sowie gegen jede Form von Antisemitismus gemäß der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)” ablegen. Zunächst war der Aufschrei jener üblichen Verdächtigen groß, die bereits zynisch die brutale und feige Ermordung von mehr als 1200 Menschen und die Misshandlung und Entführung Unschuldiger zum Akt des „antikolonialen“ Widerstands verklärt hatten. So riefen die Literaturpreisträgerin Annie Ernaux und die Genderaktivistin Judith Butler sogleich zum kulturellen Boykott Deutschlands auf. Selbstredend, dass sie auch den BDs unterstützen, der Israel durch totale Ausgrenzung das Existenzrecht abspricht.
Zweifel an der neuen Regelung äußerte jedoch auch der US-Anwalt Kenneth S. Stern, der die IHRA maßgeblich mitverfolgt hatte. Er warnte vor deren Missbrauch, „um jemanden aus vielerlei Gründen als antisemitisch abzuqualifizieren”. Und er hat recht. Förderung von politischen Bekenntnissen abhängig zu machen, lässt an die düsteren Zeiten Mc Carthy’s denken und gefährdet die Grund- und Freiheitsrechte, die Meinungsjournalismus- und Kunstfreiheit.
Zensur in welcher Form auch immer, hat der Kunst noch nie gutgetan.
Gerald Matt
Zensur in welcher Form auch immer, hat der Kunst noch nie gutgetan. Woke ist der beste Beweis hierfür. Es spricht für Chialo, dass er aus rechtsstaatlichen Bedenken die geplante „Antidiskriminierungsklausel“ zurückzog. Mit seinem Vorhaben setzte er jedoch ein klares Signal, dass es keine Toleranz für den auch in der Kunstszene grassierenden Antisemitismus gibt, auch nicht, wenn er als Antizionismus oder Antiisraelismus daherkommt, den Jean Amery schon 1969 als vorgeblich „ehrbaren Antisemitismus“ entlarvte.
Der Zeitgeist schlägt um. Den Woke-Inquisitoren in der Welt der Kunst und Universitäten und ihrem Gesinnungsterror schlägt scharfer Gegenwind entgegen. Ihre Indoktrinationspolitik des „falschen Bewusstseins“ und der „strukturellen” Erbschuld, die Gefühlsakrobatik anstelle kritischen Denkens und subjektive Dauerempörung und Opfergetue anstelle objektiver Analyse und historischer Fakten stellt, stößt endlich auf Gegenwehr. Um gegen Wokismus und Antisemitismus in der Kunstwelt anzukämpfen, braucht es jedoch keine Antidiskriminierungsklauseln. Wokismus bekämpft man nicht mit Wokismus. Die Nachahmung wokistischer Zensur ist entbehrlich, gefragt ist die konsequente Verschärfung und Anwendung der Gesetze gegen Antisemitismus, Extremismus und die Verherrlichung von Terrorismus.
Statt Diskriminierungsklauseln für Förderungen und Kunstprojekte bedarf es aber auch der Rückbesinnung auf künstlerische Werte und Qualität. Woke inklusive angeblich guter „woker “ Gesinnungen, wie sie sich bei der Dokumenta in dilettantischem antisemitischem Agitprop äußerten, haben in der Kunst nichts verloren.
Gerald Matt
gerald.matt@vn.at
Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
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