Aus The Weight wurde Jussel: “Die Geschichte war einfach zu Ende erzählt”

Kultur / 29.03.2024 • 12:30 Uhr
Jussel
Jussel präsentiert die neue Single “Back in Race”.

Musiker Tobias Jussel startet mit neuem Bandprojekt “Jussel”.

Lustenau, Wien Als The Weight hat sich die Vorarlberger Band in den vergangenen Jahren in der österreichischen Musikszene einen guten Namen gemacht. Die Retro-Rocker rund um Tobias Jussel haben es unter anderem in die deutschen Heavy Rock und Native Album-Charts geschafft. Die Krönung war eine Nominierung bei den Amadeus Austrian Music Awards in der Kategorie „Hard & Heavy”. Jetzt kehrt Sänger Tobias Jussel mit seinem neuen Bandprojekt Jussel zurück. Mit im Gepäck – die erste Single “Back in the Race”, die er mit der neuen Band bei ihrem Vorarlberg-Debüt im Carinisaal in Lustenau präsentiert.

Warum wolltest du einen neuen musikalischen Weg einschlagen?

Tatsächlich handelt es sich bei Jussel um eine komplett neue Band. Vor etwa einem Jahr wurde klar, dass es mit The Weight nicht weitergehen würde. Da hatten wir zwar schon ein fast fertig produziertes Album, doch die Ansichten darüber, in welcher Form und Intensität wir weitermachen wollten, gingen auseinander. Es wurde nicht gestritten, es wurde nicht lange diskutiert – die Geschichte war einfach zu Ende erzählt. Für mich war dann klar, dass ich musikalisch unbedingt weitermachen wollte. Zuerst habe ich mit der Idee geliebäugelt, Heimdemos als Soloprojekt zu veröffentlichen, doch ich liebe es, in einer Band zu spielen und habe dann unserem jetzigen Drummer Fäbl zwei Tracks geschickt und gefragt, ob er Bock hätte. Das hatte er offenbar.

Jussel
Tobias Jussel hat eine neue Band gegründet. Simon Anhorn

Wie habt ihr euch musikalisch weiterentwickelt? Oder seid ihr eurem Stil treu geblieben?

Ich denke schon, dass es hörbare Gemeinsamkeiten gibt, schließlich war ich ja auch als Songwriter Teil der alten Band. Ich glaube, der Sound ist jetzt etwas eindeutiger geworden. Die Songs haben mehr Fläche und bieten damit unserem Gitarristen Tobi die Möglichkeit, spacige, funkige oder je nach Bedarf rockige Arrangements einzuflechten. Die Keyboards bilden jetzt mehr die Grundlage, auf der sich die Gitarren austoben dürfen. Das liegt auch daran, dass ich nur auf dem Piano Musik schreibe.

Wovon handelt die Single “Back in The Race”?

Der Titel war natürlich aufgelegt, um die neue Band anzustarten. Tatsächlich trage ich den Song seit der Coronapandemie mit mir herum. Ich weiß nicht, warum der Text so gut zur jetzigen Situation passt. Es geht darum, Altes hinter sich zu lassen und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Vielleicht liegt es daran, dass man Veränderung unbewusst schon lange wahrnimmt, bevor sie dann unausweichlich vor einem stehen. Oft verstehe ich die eigenen Songs erst Jahre später und denke mir: Das wolltest du also sagen.

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Auch in der Musikbranche hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Inzwischen kündigt sich auch die KI an. Wie geht ihr mit dieser Entwicklung um?

Eine ganz entscheidende Frage. Ich könnte mir vorstellen, dass die KI für den Rock’n’Roll ein Segen sein wird. In unserer Musikrichtung sollte es nie nur um Perfektion gehen – im Gegenteil: Das Unberechenbare war lange Teil des Gesamtpakets. Leider hat die Rock- und Soulmusik, die für mich zusammengehören, viel von dieser Unmittelbarkeit eingebüßt. Durch neue Technologien wurde das Rebellische und Unkontrollierbare verdrängt. Viele Labels und Musiker sind auf diesen kostensparenden Zug aufgesprungen. Gegenüber anderen Stilrichtungen konnte da der Rock’n’Roll nur ins Hintertreffen geraten. Große Teile der Popmusik klingen aber mittlerweile so künstlich, dass man sich fragen muss, wozu ich dann noch einen echten Künstler brauche. Das kann KI vielleicht wirklich besser. Heute sehen wir aber, dass eine neue Generation von Jugendlichen auf der Suche nach Echtheit ist, die sie in ihrem Alltag nicht mehr findet. Doch so wie eine Vinylscheibe mit Kratzern oder ein gutes, vergilbtes Buch aus dem Antiquariat Objekt der Begierde sein kann, freuen sich Menschen über ein Rock-, Soul- oder Popkonzert in einem kleinen, finsteren Club, wo sie nie recht wissen, was sie erwartet.

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Die Coronapandemie hat zu einem Stillstand in der Musikbranche geführt. Was hat sich diesbezüglich bei euch verändert?

Meine Band hat sich aufgelöst. Nein, im Ernst: Die Infrastruktur ist gerade im unteren und mittleren Bereich der Veranstaltungsbranche merklich zusammengeschrumpft. Ich kenne auch in meinem Bekanntenkreis Menschen, die sich komplett aus dem Geschäft zurückgezogen haben – auch weil sie bemerkt haben, dass man Geld in anderen Bereichen wesentlich leichter verdienen kann. Die Großen überleben natürlich, aber für kleine Künstler und Künstlerinnen ist es ein Problem, wenn es keine Clubs gibt, in denen sie ihren ersten Gig spielen können. Für mich persönlich ergab sich die Möglichkeit, darüber nachzudenken, wo ich in meinem Leben hinwill und welche Rolle die Musik dabei spielen soll.

Ihr konntet mit The Weight viele Erfolge verzeichnen, unter anderem eine Nominierung bei den Amadeus Austrian Music Awards. Wie wichtig ist dir der Erfolg und verspürst du mit der neuen Formation Erfolgsdruck?

Ich verspüre nur den Druck, den ich mir selbst mache. Da muss ich ein bisschen aufpassen, denn ich habe mir vorgenommen, die alten Sünden nicht zu wiederholen. Musik muss Spaß machen. Das ist die Grundregel. Wenn man aber öfter auftreten und vielleicht auch im Ausland spielen möchte, dann ist man dazu gezwungen, das Ganze auch als Geschäft zu sehen. Ob man dabei am Ende des Tages Geld verdient, ist eine andere Frage. Ich habe neben der Musik einen Beruf, der mir Freude macht, mir ein geregeltes Einkommen beschert und meinem Leben Sinn gibt. Ich habe also großes Glück.

Samstag beim Szene Openair 2019
The Weight bei ihrem Auftritt beim Szene Openair 2019.

Ihr gebt als Jussel euer Vorarlberg-Debüt. Was darf man sich von eurem Konzert erwarten? Werden The Weight-Fans auch auf ihre Kosten kommen? 

Ich hoffe, dass alle Besucher und Besucherinnen auf ihre Kosten kommen werden, denn ich glaube, wir haben da eine super Sache am Start.

Ist auch ein neues Album geplant?

So ist es. Der Sommer ist dafür reserviert.

Konzert: Samstag, 30. März 2024; Support: Mona Ida; Carinisaal Lustenau; Einlass 19 Uhr, Beginn: 20 Uhr