Verkorkt, nicht verkorkst

Kultur / 27.04.2024 • 08:00 Uhr

Die Designmanufaktur CLARISSAKORK in Krumbach erweitert die Bregenzerwälder Holzbautradition um eine Sichtkorkfassade.

Text: Kerstin Forster | Fotos: Michael Nussbaumer

krumbach Für das seit 2018 bestehende Designunternehmen CLARISSAKORK wurde der Platz schon kurz nach der Gründung zu knapp. Damals hatte Clarissa Steurer ihre Manufaktur im Keller des Einfamilienhauses eingerichtet, doch dank ihrer Teppiche aus Korkleder und dem erfolgreichen Onlineshop musste baldmöglichst expandiert werden. Grundstückssuche und Bau dauerten noch drei Jahre – jetzt steht in Krumbach die 960 Quadratmeter große Manufaktur, die sich außen wie innen dem Material Kork verschrieben hat.

Passt ins Bild: Mit ihrem Satteldach und den vorgelagerten vertikalen Lamellen wirkt die Manufaktur trotz Korkfassade nicht fremd im Bregenzerwald.

Auf der Suche nach einer Geschäftsidee ist die gelernte Textilerin Clarissa Steurer auf Korkleder gestoßen, ein Produkt, das sie sofort aufgrund seiner Eigenschaften fasziniert hat: Es besteht aus natürlichen Rohstoffen, ist vegan, nachwachsend, abwaschbar, antibakteriell und hat eine angenehme Haptik und natürliche Wärme. Sofort hatte sie eine erste Produktvision, nämlich bestickte Teppiche aus Korkleder zu fertigen.

Berührungspunkte: Zwei Zufahrten führen vor und unter das Gebäude. Immer wieder finden auch Architekturtourist(inn)en in Krumbach den Weg zum neuen Gebäude und berühren und untersuchen die ungewöhnliche
Fassade ganz genau.

Der rasch einsetzende Erfolg und die erweiterte Produktpalette machte bald klar, dass man Ausschau nach einem größeren Betriebsgebäude halten musste oder einem Grundstück, auf dem wie bisher Manufaktur und Familienwohnung unter einem Dach errichtet, werden konnten. Die Suche gestaltete sich schwierig, denn Wohnen in einer Gewerbezone ist nicht überall möglich. Am Ortsausgang von Krumbach, gerade noch zentral und in zweiter Reihe an der Straße Richtung Riefensberg, wurden Clarissa und Edwin Steurer fündig.

Verkorkt, nicht verkorkst
Blick ins Grüne: Erst auf der Rückseite des Gebäudes wird auch der private Bereich sichtbar, eine eingeschnittene Terrasse gehört zur Wohnung im Obergeschoß.

Leichter gestaltete sich die Suche nach einem passenden Planer für den Neubau: Laurin Zündel ist der Bruder der Bauherrin und gemeinsam mit Stefan Bischof Inhaber des Büros BISCHOF & ZÜNDEL in Lingenau. Clarissa Steurer, die sehr materialaffin ist, hatte bereits einmal ein Haus mit Korkfassade gesehen und ihrem Bruder den Link geschickt, aber wenig Hoffnung, dass ein solcher Bau möglich wäre, doch schon der erste Entwurf ging in diese Richtung.

Verkorkt, nicht verkorkst
Eine Gemeinschaftsküche im Untergeschoß mit Blick ins Grüne. Zweimal die Woche wird hier gekocht. Die Arbeitsfläche der Küche ist aus Beton gegossen, alles andere wieder „verkorkt“.

Ein weiteres natürliches Material, das seit Jahrhunderten sowohl im Bau als auch in der Textilindustrie verwendet wird, kam bei den nicht tragenden Wänden zum Einsatz: Hanf. Mit großer Experimentierfreude und mittels Gefriertruhe wurden die Materialien von Laurin Zündel auf ihr Verhalten bezüglich Feuchtigkeit, Kälte- und Witterungsbeständigkeit hin untersucht.

Verkorkt, nicht verkorkst
Hier wird gerne gearbeitet. Die ganze Manufaktur befindet sich in einem Raum, ausgelegt mit gelenkschonendem Korkteppich und dank Hanfwänden einem angenehmen Raumklima.

Das etwa 1900 Quadratmeter große Grundstück weist eine leichte Hangneigung sowohl nach Norden wie nach Westen auf. Im massiven Untergeschoß der Manufaktur befinden sich Technik-, Lager- und Personalräume, eine Tiefgarage sowie auf der hangabgewandten Seite eine schöne Gemeinschaftsküche mit Blick ins Grüne. Darüber wurde eine zweigeschoßige Holzständerkonstruktion mit betonierter, rundum leicht auskragender Decke errichtet. Die vollflächige Korkfassade aus vier Zentimeter starken Platten ist erst auf den zweiten Blick sichtbar. Sie wird kaschiert von unregelmäßig verteilten vertikalen Holzbalken und -brettern – sie knüpfen an die typischen Bregenzerwälder Holzfassaden an, gewährleisten aber gleichzeitig Witterungs- und Sichtschutz für Fassade und Fenster, der Kork ist Sichtfassade und Wärmedämmung in einem.

Verkorkt, nicht verkorkst
Alle Produkte werden in Krumbach designt, zugeschnitten, genäht, bestickt oder bedruckt. Die Viertagewoche kommt bei allen Mitarbeitenden gut an.

Die größte Fläche nimmt der ebenerdige Manufakturbereich ein. Hier passieren alle Produktionsschritte in einem Raum. Rund zwanzig Mitarbeitende teilen sich diesen mit einem meterlangen Zuschnitttisch, mit Nähplätzen, der großen Kaschiermaschine, einem Flachbettdrucker und zig Regalen mit Rohstoffen und fertigen Produkten rund um den Logistikbereich. Für die angenehme Arbeitsatmosphäre sorgen zum einen der – natürlich – helle Korklederteppich sowie die Stampfhanfwände, welche das Raumklima regulieren, aber auch schallabsorbierend wirken.

Verkorkt, nicht verkorkst
Das Verwaltungsbüro liegt einige Stufen oberhalb der Manufaktur, denn es erfordert weniger Raumhöhe. Der Platz darunter ist durch ein mehrere Meter breites Schubladensystem perfekt genutzt.

Die Errichtung der vierzig Zentimeter starken Hanfwände geschah vor Ort und ohne Erfahrungswerte der Baufirma: Es gab eine kurze Einschulung durch den Lieferanten, dann konnte das Gemisch aus den strohähnlich gehäckselten Hanfschäben, Kalk, Mineralien und Wasser vor Ort zubereitet und schichtweise in eine Schalung entlang des Holzständerwerks gekippt und durch Stampfen verfestigt werden. Zur Bewehrung des Hanfs dient eine zusätzliche innenliegende Querlattung alle sechzig Zentimeter.

Verkorkt, nicht verkorkst
Eingangstür, Teeküche, Schränke, Tischoberflächen und andere Einbauten sind mit verschiedenfarbigem Korkfurnier bezogen. Der Besprechungsraum ist Teil des offenen Gemeinschaftsbüros.

Die Hanfwände blieben in den Manufakturräumen und im Gemeinschaftsbüro unverputzt, in der darüberliegenden Wohnung mit eingeschnittener Dachterrasse wurden sie hingegen mit Lehmputz verspachtelt. Die Einrichtung der Geschäfts-, Produktions- und Personalräume ist zwar zurückhaltend und modern, aber nie sachlich, es wirkt geradezu gemütlich.

Verkorkt, nicht verkorkst
Bis ins Stiegenhaus: durchgängiger Materialmix, auch im Inneren.

Wo immer möglich wurde selbstverständlich Kork eingesetzt, und zwar in vielfältiger Weise und Farbigkeit: furnierähnlich aufkaschiert als Oberfläche von Türen, Arbeitstischen, Sideboards oder der Küche, selbst Handläufe wurden damit ummantelt und Beschriftungen daraus gestanzt. Ergänzt wird die Ausstattung durch eigene Kreationen wie Lampenschirme, Tischläufer oder Legeteppiche. Es mag alles von Kork umgeben sein, verkorkst wirkt es nicht.

daten und fakten

Objekt: CLARISSAKORK, Krumbach

Bauherrin: Clarissa Steurer

Architektur: BISCHOF & ZÜNDEL, Lingenau, Architektur – Baumeister, ww.bischof-zuendel.at

Fachplanung: Statik: zte Leitner ZT GmbH, Vermessung: Ender Bernhard ZT GmbH, Ausführungsplanung: BISCHOF & ZÜNDEL

Planung: September 2022 bis Juni 2023

Ausführung: Oktober 2022 bis September 2023

Grundstück: 1899,5 m²

Nutzfläche: gewerblich: 959,65 m²

Ausführung: Erd-/Baumeisterarbeiten: Oberhauser und Schedler Bau; Elektroinstallatio-nen: Elektro Kirchmann; Heizung/Sanitär/PV-Anlage: Siegfried Steurer; Lüftung: Dietrich Luft und Klima; Zimmermann: Kaspar Greber; Dachdecker/Spengler: Ing. Gunter Rusch GmbH; Fenster: Claus Schwarzmann; Malerarbeiten/Kalkputz: Moosbrugger Malerei; Korkfassade: Alex Holzkraft; u. v. m.

Energiekennwert: HWB 23,42 kWh/m²a

Eine Baukulturgeschichte von vai Vorarlberger Architektur Institut.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at. Mit freundlicher Unterstützung von der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen

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