“Glanz und Elend”

Leopold Museum präsentiert erste umfassende Ausstellung in Österreich zur Neuen Sachlichkeit in Deutschland
Wien Das Leopold Museum zeigt in seiner aktuellen Ausstellung erstmals in Österreich eine umfassende Überblicksausstellung zur Neuen Sachlichkeit in Deutschland, einem Begriff, der vor rund 100 Jahren geprägt wurde. Die Schau „Glanz und Elend. Neue Sachlichkeit in Deutschland“ präsentiert das Kunstschaffen dieser Bewegung und des Magischen Realismus anhand von rund 150 Exponaten aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Etwa 100 Gemälde und 40 Arbeiten auf Papier von insgesamt 47 Künstlern, ergänzt durch Archivalien und Fotografien, geben einen fundierten Einblick in die Kunstproduktion der Neuen Sachlichkeit.

Die präzise, nüchtern-deskriptive Erfassung des Alltags löste den expressiven Gestus des Expressionismus ab, dessen individualistisches Modell die Realität geistiger und politischer Krisensituationen nicht wiederzugeben vermochte. Innerhalb der Neuen Sachlichkeit stand eine politisch orientierte linke Strömung, die von einem kritischen Verismus bestimmt war, einer rechten Strömung gegenüber, die von klassizistisch-neuromantischen Tendenzen geprägt war.

“Am Anfang standen politisch fortschrittliche, linke Künstler, die ihre pazifistischen Ideen künstlerisch umsetzten und ein Menschenbild festhielten, das von den Spannungen der Zeit beredtes Zeugnis ablegte. Sie prangerten die Doppelmoral der Gesellschaft, vor allem in den modernen Großstädten, an und machten sie auf teils drastische Weise sichtbar. Ihr künstlerisches Untersuchungsfeld war der öffentliche Raum, die Straßen und Plätze, die Kneipen und Bordelle oder die Fabriken und Hinterhöfe. Mit beißender Polemik wurden die Verkommenheit des Bürgertums und die ausbeuterischen Kapitalisten, die vom Krieg profitierten, kommentiert”, so Hans-Peter Wipplinger.

Die Künstlerinnen und Künstler der Neuen Sachlichkeit wie Max Beckmann, Otto Dix, Carl Grossberg, George Grosz, Karl Hofer, Karl Hubbuch, Grethe Jürgens, Alexander Kanoldt, Lotte Laserstein, Jeanne Mammen, Felix Nussbaum, Gerta Overbeck, Christian Schad, Rudolf Schlichter, Georg Schrimpf und viele andere betrachteten das Zeitgeschehen mit nüchternem Blick und brachten das Gesehene emotionslos und ungefiltert auf Leinwand und Papier.

Auf der Suche nach Möglichkeiten, die schrecklichen Kriegserlebnisse zu verarbeiten und die verheerenden Folgen des Krieges zu erfassen, fanden sie ihre Bildthemen in den Straßen der Metropolen, in den Vergnügungsetablissements der Großstädte ebenso wie in den neuen Lebensentwürfen selbstbewusster, moderner Frauen oder in den radikalen Veränderungen durch den rasanten technischen Fortschritt.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde diese neue künstlerische Herangehensweise jäh unterbrochen. Die NS-Politik diffamierte die Kunst der Avantgarde systematisch als „entartet“ und ordnete ihre Beschlagnahmung oder Zerstörung an. Politisch missliebige Künstler mussten willkürliche Durchsuchungen ihrer Wohnungen und Ateliers über sich ergehen lassen, Professoren wie Otto Dix oder Christian Schad wurden entlassen, Ausschlüsse aus Kunstvereinen und Ausstellungsverbote folgten. Die Betroffenen reagierten mit Flucht ins Ausland, innerer Emigration oder Anpassung an das System.

Die in 13 Themenbereiche gegliederte Ausstellung widmet sich in komprimierter Form einem wesentlichen Kapitel der Kunstproduktion im Deutschland der zwanziger und Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts. Beleuchtet werden alle Facetten der sogenannten „Goldenen Zwanziger“, die für Glanz und Vergnügungssucht jener Zeit stehen. Sozialkritisch, sarkastisch und erbarmungslos voyeuristisch zeigen die neusachlichen Künstler die Vorzüge und Schattenseiten des Nachtlebens und schildern den brandgefährlichen „Tanz auf dem Vulkan“. Im Fokus stehen dabei auch die Außenseiter der Gesellschaft und Menschen, die in ihrer Existenz bedroht sind.