Neue Musik? – Ja, bitte!

Wie das Stella-Ensemble „PulsArt“ unter Benny Lack Werbung für Neue Musik betreibt.
FELDKIRCH. Das ist so eine Sache mit der Neuen Musik. Die einen verteufeln sie ob ihrer schrägen Töne, andere lieben sie als wichtige Quelle der Erneuerung für das Repertoire. Ein „notwendiges Übel“ also oder doch viel mehr? Die beste Werbung für eine Sache ist immer noch, sie in glänzender Weise professionell darzubieten, und darin ist eine auserwählte Schar von 20 jungen Studierenden der Stella Privathochschule derzeit schwer zu übertreffen. In einer Sonntagsmatinee wurde von ihnen dieses komplexe Repertoire auf so begeisternde und leidenschaftliche Art realisiert, dass darob jeder Zweifel verstummt, ob diese Neue Musik heute wohl auch ihre Daseinsberechtigung habe. Und ob!

Das Ensemble nennt sich „PulsArt“, wurde am damaligen Landeskonservatorium gegründet und hat sich in jährlichen Auftritten konsequent weiterentwickelt. Dies war seine sechste Produktion und vermutlich auch die erfolgreichste, weil es gelungen ist, eine angesichts der herrschenden Vorbehalte doch relativ zahlreiche Zuhörerschar von der Schönheit der Musik vor allem von Arnold Schönberg zu dessen 150. Geburtstag zu überzeugen – nomen est omen. Eigentlich ist es ja paradox, dass die aufgeführten Werke dieses Vordenkers der Zweiten Wiener Schule vor über einhundert Jahren entstanden sind und nach wie vor unter dem Begriff „Neue Musik“ firmieren.

Wie froh ist man da um unseren Benjamin Lack, der nicht nur den absolut kompetenten Zugang am Dirigentenpult und in der intensiven Probenarbeit mit seinen Youngsters verkörpert, sondern im Konzert auch die rechten begleitenden Worte findet, um Schönbergs Musik den Zuhörern plausibel zu machen und Respekt dafür einzufordern.

Ein Lichtblick für die Stella ist es, dass Benjamin Lack dem Projekt „PulsArt“ als künstlerischer Leiter zumindest vorderhand ebenso erhalten bleiben wird wie dem Hochschulorchester, trotz seiner neuen Professur an der Grazer Universität. Ebenso, dass neue Musik auch in anderen Gruppierungen am Haus verstärkt gepflegt werden soll, auch wenn es dort nach Herbert Willis Pensionierung inzwischen keine Kompositionsklasse mehr gibt. Seine einstige Schülerin Gerda Poppa hat eben den Kompositionspreis des Landes erhalten.

Zwei Schlüsselwerke Arnold Schönbergs, diesem „Elementarereignis der neueren Musikgeschichte“ (Lack), stehen also diesmal im Zentrum. Die Fünf Orchesterstücke op. 16 sind in ihrer reduzierten Bearbeitung zugegeben extrem schwere Kost, ein harter Brocken für die Zuhörer ebenso wie für die jungen Musiker. Ihnen fordert Schönberg in seiner unbekümmert gepflegten Freitonalität einiges an frechen Dissonanzen ab, eröffnet damit freilich auch die weite Palette eines Klangfarbenspiels.

Weitaus komfortabler zu hören, wenn auch ebenso anspruchsvoll ist der Liederzyklus „Pierrot Lunaire“ op. 21, von dem als Appetithappen der erste Teil aufgeführt wird. Da findet die wunderbare junge Mezzosopranistin Sarah Kling, die gerade in der Klasse Dora Kutschi ihren Abschluss gemacht hat, mit ausgerundeten, geheimnisvoll dunklen Tönen genau das Zwischenfach von Singen und melodramatischem Sprechen, hinterlässt mit diesen Miniaturen in klanglicher Expressivität starken Eindruck.

Eingerahmt wird diese Musik von Werken komponierender Frauen des 20. Jahrhunderts, zweiter konzeptioneller Schwerpunkt des Ensembles „PulsArt“. Das Stück „Melos hidiston“ der Griechin Calliope Tsoupaki (geb. 1963) beruht auf Fragmenten aus dem Hohelied der Liebe im Alten Testament und gibt der Sängerin und ihrer Blockflötenpartnerin Carina Riegler Gelegenheit zu einem kunstvollen ausgeführten antiken Duett. Das 1966 entstandene „Contradizione per orchestra da camera“ der namhaften polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz (1909 – 1969) lebt aus der spannenden Konfrontation von Orchestergruppen.
FRITZ JURMANN