“Ich hol’ dir vom Himmel das Blau”

Kultur / 22.07.2024 • 15:13 Uhr
Hotel Savoy
“Hotel Savoy” basiert auf dem gleichnamigen Roman des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth und präsentiert Operettenmusik aus der Zeit zwischen 1905 und 1934. Schauspiel Stuttgart / Toni Suter

Dritte Festspielpremiere mit der Hybridoperette “Hotel Savoy” im Kornmarkttheater.

Bregenz Im Rahmen der Bregenzer Festspiele feierte am Sonntagabend die Hybrid-Operette “Hotel Savoy” im Theater am Kornmarkt Premiere. Die von Gwendolyne Melchinger, Corinna von Rad und Andreas Schett, dem musikalischen Leiter von “Franui”, konzipierte Aufführung basiert auf dem gleichnamigen Roman des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth und stellt sowohl Operettenmusik aus der Zeit zwischen 1905 und 1934 als auch die bewegte Geschichte des Hotels in den Mittelpunkt.

Hotel Savoy
Hotel Savoy erzählt die Geschichten der Komponisten und ihrer Schicksale. Schauspiel Stuttgart / Toni Suter

Im Zentrum der Produktion steht die Musik, die Franui für ihre einzigartige Besetzung arrangiert hat. Dafür haben sie zahlreiche Operetten durchforstet und die schönsten Stücke zu einer musikalischen Playlist zusammengestellt. Diese Werke, größtenteils von jüdischen Komponisten, die von den Nationalsozialisten vertrieben oder ermordet wurden, werden nicht nur gespielt, sondern auch in ihren historischen Kontext eingebettet, sodass die Musik die Geschichten der Komponisten und ihrer Schicksale erzählt.

Hotel Savoy
Das zehnköpfige Musikensemble Franui wechselt meisterhaft zwischen verschiedenen Musikstilen. Schauspiel Stuttgart / Toni Suter

Das Bühnenbild von Ralf Käselau ist schlicht, aber wirkungsvoll. Ein abschüssiger Kreis im leeren Raum, umgeben von einem Vorhang, bildet die Kulisse, in der die Figuren in leicht abgetragenen Kostümen der 1930er-Jahre Zuflucht finden. Es sind die Gestrandeten des Ersten Weltkriegs, unter ihnen der Kriegsveteran Gabriel Dahn, gespielt von Marco Massafra, dessen unglückliche Liebesgeschichte mit der Varietékünstlerin Stasia (gespielt Josefin Feilervon der Staatsoper Stuttgart) den roten Faden der hybriden Operette bildet.

Hotel Savoy
Das Bühnenbild von Ralf Käselau ist schlicht, aber wirkungsvoll. Schauspiel Stuttgart / Toni Suter

Der Tenor Moritz Kallenberg überzeugt als halbseidener Rivale und harmoniert wunderbar mit den Schauspielerinnen wie den Vollblutkomödiantinnen Josephine Köhler und Inga Krischke. Die Darsteller verkörpern überzeichnete Typen mit dicken Bäuchen, großen Brüsten und verstellten Stimmen und tragen die Operette so vor, dass die oft doppelbödigen Texte zur Geltung kommen. Besonders gut gelingt dies bei dem durch Johannes Heesters berühmt gewordenen Operettenklassiker „Heute geh’n wir ins Maxim“. Mit viel Mut zur Verfremdung und einer durch und durch kitschigen Performance bringt Gábor Biedermann hier das Publikum zum Lachen. Großartig auch seine Interpretation des Liedes „Ohlala“ aus „Der letzte Walzer“ von Oskar Straus. Biedermann verkörpert die melancholische Travestie und schafft es, komisch und anrührend zugleich zu sein.

Hotel Savoy

Berührend auch die Szene, in der Marco Massafra und der ganz wunderbare Klaus Rodewald, der auch sonst schauspielerisch und stimmlich den Geist dieser Zeit grandios auf die Bühne bringt, im Duett „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück“ singen und sich dabei an ihre gemeinsame Kriegserlebnisse erinnern.

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Die zehnköpfige Musikbanda Franui wechselt meisterhaft zwischen verschiedenen Musikstilen, von der Tanzkapelle bis zum Varieté-Orchester. Sie liefern den großartigen Soundtrack zu dieser Produktion und spielen die Operettenlieder so, dass sie das Publikum immer wieder zum leisen Mitsingen animieren, gekrönt vom Finale, bei dem alle Darsteller gemeinsam auftreten. In den besten Momenten der Aufführung wird das Wesen der Wiener Operette perfekt eingefangen. Diese Form der Operette wollte das Publikum unterhalten und in eine Welt voller Leichtigkeit und Humor entführen. Die Wiener Operette besticht durch charmante, oft witzige Handlungen, die den Alltag vergessen lassen und Freude bereiten. Zentrale Themen sind Liebe, Vergnügen und gesellschaftliche Feste, oft begleitet von einem nostalgischen Rückblick auf vergangene Zeiten. Die Dialoge sind von Witz und Charme geprägt, die Figuren sind liebenswert und sympathisch. In einer Zeit voller Katastrophen erlebte die Wiener Operette ihre letzte Blüte, und Josef Roth erzählt genau davon.

Hotel Savoy

Doch nach der Pause verliert die Aufführung trotz des herrlichen Eröffnungsliedes “Mehlspeis” von Ralph Benatzki dramatisch an Schwung. Die Geschichte wird oberflächlich und berührt wenig. Die Handlung verfängt sich in privaten Katastrophen, Arbeiterstreiks und Revolutionen. Daran ändert auch die Darstellung des Millionärs Bloomfield durch Inga Krischke als Marlene Dietrich nichts. Musik und Roman finden nicht mehr zusammen, und das eher langatmige Ende der Aufführung lässt einen seltsam teilnahmslos zurück.