Landkarte eines Verbrechens

Der Vorarlberger Schriftsteller und Erzähler Michael Köhlmeier präsentierte im Seestudio des Festspielhauses Bregenz seinen neuen Gedichtband „Im Lande Uz“, begleitet von der eindrucksvollen Musik von Marcus Nigsch.
Bregenz Köhlmeier und Nigsch lernten sich in Lech kennen. „Wenn man sich befreundet, dann überlegt man, was man zusammen machen kann,“ so Köhlmeier. Das Ergebnis dieser Überlegung konnte das Publikum an diesem Abend erleben. „Stellen Sie sich einen umfangreichen Roman vor, dessen Manuskript verloren gegangen ist und von dem nur wenige Seiten übrig geblieben sind. Diese Seiten sind vielleicht zu wenige, um den Roman ernsthaft zu rekonstruieren, aber genügend, um die Einbildungskraft und Fantasie anzuregen. Jede und jeder von Ihnen könnte daraus in ihrem Kopf einen eigenen Roman spinnen.“

Der erste Teil des Gedichtbandes „Im Haus des Feindes, im Haus des Freundes“ erforscht die komplexen Beziehungen und Ambivalenzen zwischen Menschen, die sich nahe stehen und dennoch in Konflikt geraten. Der zweite Teil des Buches, das fesselnde Langgedicht „Im Lande Uz – Kantate zu den wüsten Jahren“ entfaltet eine eindringliche Auseinandersetzung mit der biblischen Geschichte, die Köhlmeier seit Langem begleitet. Der dritte Teil, die „Landkarte eines Verbrechens“ zeichnet in biografischen Fragmenten die Lebenswege von Menschen nach, die aus unterschiedlichen Gründen schuldig geworden sind. Nigsch vertonte diesen Teil mit einem 24-teiligen Liederzyklus für Streichtrio, Kontrabass, Klarinette, Mezzosopran, Bariton und Erzähler, den er im Auftrag der Bregenzer Festspiele komponierte.

Nigsch hat sich mit seiner vielseitigen und bewegenden Musik, die von Pop-Hits über Filmmusik bis zu klassischen Werken reicht, einen Namen gemacht. Seine Musik zeichnet komplexe Gefühlslandschaften, die sowohl intellektuell als auch emotional fesseln. Bei dem Gedicht „Hinter dem Horizont“ spielt die Klarinette eine wunderschöne Melodie, während kurz darauf die Musik bei „Der Narr“ zunächst eine düstere Stimmung erzeugt und dann ins Atonale wechselt.

Bei „Gleiches mit Gleichem“ ist die Musik geheimnisvoll und erinnert an einen Roman aus der New York Trilogie von Paul Auster. Der dramatische Höhepunkt beginnt mit „Das Geschäft“ – großartige, leidenschaftliche Musik wie aus einem Film Noir mit Humphrey Bogart. Nigsch gelingt es hervorragend, Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen hervorzurufen und auf die wunderbare geschriebene Lyrik Köhlmeiers einzugehen.

An diesem Abend überzeugte auch die Dirigentin Karen Ní Bhroin, deren präzises und einfühlsames Dirigat die Musiker zu einer sehr ansprechenden Leistung inspirierte. Auch Corinna Scheurle brillierte, deren warmer und kraftvoller Mezzosopran die Texte lebendig werden ließ, und der Bariton Maximilian Krummen, der mit seiner stimmlichen Tiefe und Ausdruckskraft hervorstach. Die Sänger harmonierten wunderbar und schafften es, die atonalen Gesangspassagen berührend, leidenschaftlich und spannend zu transportieren. Maximilian Krummen, ein heller Bariton, der momentan im Freischütz als Killian zu sehen ist, beeindruckte das Publikum. Zusammen mit den hervorragenden Musikern schufen sie eine Klangwelt, die Köhlmeiers Gedichte um eine zusätzliche Facette bereicherte. Eine ausführliche Rezension über den Gedichtband „Im Lande Uz“ können Sie noch in dieser Wochen in den VN lesen.
