Apokalyptische Vision und ein Oktopus-Drama

Kultur / 18.08.2024 • 16:35 Uhr
Ho9ld your breath
Die Werkstattbühne wird von der monumentalen, fast 40 Meter langen Krake dominiert. Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

David Pountney inszeniert mit „Hold Your Breath“ eine düstere Zukunftsoper.

Bregenz „Zum Abschluss der Oper „Hold Your Breath“ im Festspielhaus Bregenz wird das Publikum aufgefordert, den Atem anzuhalten und diese von der Menschheit „vergiftete“ Welt in absoluter Stille zu verlassen. Dieser ungewöhnliche Schlusspunkt verstärkt die düstere, apokalyptische Atmosphäre, die das Werk vermittelt. Erst im Foyer darf applaudiert werden, wo die Künstler für ihre Leistungen gewürdigt werden.

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Die Oper verzichtet auf eine konventionelle Handlung und reflektiert stattdessen über Autorität und den Klimawandel. Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Die Uraufführung von „Hold Your Breath“ beeindruckt besonders durch ihre visuelle Kühnheit. Auf der Werkstattbühne entfaltet sich das Werk als Auseinandersetzung mit aktuellen Themen, deren Umsetzung jedoch nicht immer überzeugt. Ein herausragendes Element der Oper ist die vollständige Nutzung des Bühnenraumes. David Pountney, der langjährige ehemalige Intendant der Bregenzer Festspiele, hat sowohl das Libretto verfasst als auch Regie geführt und zusammen mit dem portugiesischen Künstler Hugo Canoilas eine dynamische Umgebung geschaffen.

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Die Gesangsdarbietungen von Sopranistin Shira Patchornik und Tenor Sam Furness stechen positiv hervor. Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Die Oper verzichtet auf eine herkömmliche Handlung und bietet stattdessen eine Reflexion über Autorität und den Klimawandel. Diese komplexen Themen werden durch die zentrale Figur eines riesigen Oktopus symbolisiert, der die menschliche Existenz und deren Verhältnis zur Natur darstellt. Die monumentale, fast 40 Meter lange Krake, deren sieben Tentakel zunächst zehn Meter lang von der Decke hängen, dominiert den Raum. Im weiteren Verlauf senken sich die luftgefüllten Arme herab, bis nur noch ein zusammengerolltes Stück „Müll“ übrig bleibt. Trotz dieser kraftvollen visuellen Darstellung bleibt die inhaltliche Umsetzung oft zu plakativ, um die Themen in ihrer gesamten Komplexität zu erfassen.

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Eine Hälfte des Publikums wird aktiv in die Performance eingebunden. Bregenzer Festspiele / Anja Köhler (4)

Die eine Hälfte des Publikums kann sich frei bewegen und wird aktiv in die Performance eingebunden. Doch trotz dieses innovativen Ansatzes bleibt die erhoffte Erkenntnis, dass jeder Einzelne Teil des Problems ist, oft aus. Auch die Idee, Abraham Cowleys Gedicht „The Wicked Land“ mit dem englischen Kinderlied „Who killed Cock Robin?“ aus dem 18. Jahrhundert so zu verknüpfen, dass das zentrale Thema der bevorstehenden Zerstörung des Planeten durch den Menschen vermittelt wird, gelingt nur ansatzweise.

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Die Musik von Éna Brennan bleibt hinter den Erwartungen zurück. Bekannt für ihre experimentellen Kompositionen, kombiniert Brennan traditionelle Instrumente mit elektronischen Klängen, um eine dichte Klanglandschaft zu schaffen. Doch das Ergebnis kann nicht vollständig überzeugen. Während die Gesangsdarbietungen von Sopranistin Shira Patchornik und Tenor Sam Furness positiv hervorstechen, wirkt die Instrumentierung oft traditionell. Das achtköpfige Ensemble, bestehend aus Mitgliedern des Symphonieorchesters Vorarlberg unter der Leitung von Karen Ní Bhroin, leistet zwar solide Arbeit, doch die Kompositionen schaffen es nicht, die Dringlichkeit der behandelten Themen musikalisch adäquat zu vermitteln.

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Auch die Choreografie von Caroline Finn trägt wenig dazu bei, den thematischen Anspruch der Oper zu untermauern. Trotz der beachtlichen Leistungen der Tänzer Hellen Boyko, Petr Nedbal und Romane Ruggiero gelingt es nicht, die Symbolik und das Gewicht der behandelten Inhalte tänzerisch einzufangen. Stattdessen wirkt die Choreografie oft wie ein dekoratives Element, das die Motivation der Aufführung nicht weiter voranbringt.

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„Hold Your Breath“ ist eine ambitionierte Uraufführung, die durch ihre visuelle Kreativität besticht. Inhaltlich und musikalisch überzeugt das Werk jedoch nicht vollends. Pountneys Versuch, das Publikum aktiv einzubeziehen, ist zwar interessant, scheitert jedoch an der oberflächlichen Symbolik und der etwas zu traditionellen musikalischen Umsetzung. So bleibt „Hold Your Breath“ ein faszinierendes, aber letztlich nicht ganz erfüllendes Experiment.