Haydns himmlische Schönheit

Klaus Christa machte bei der „Pforte“ mit einer „Langen Nacht“ fast zu viel des Guten.
FELDKIRCH Es ist immer wieder bemerkenswert zu erleben, welche Empathie und Leidenschaft den Musiker und Musikvermittler Klaus Christa als Kurator der „Pforte“-Konzerte antreiben. Sein ganzes Bestreben gipfelt darin, die Zuhörer wie im aktuellen Beispiel durch Musik zu beglücken. Dieser Begriff wird nun sogar zum Motto einer öffentlichen Generalprobe mit dem neu formierten Epos-Quartett. Haydn-Kenner Klaus Christa hat sich dazu aus dessen herausragendem spätem Streichquartett D-Dur beispielhaft den zweiten Satz ausgewählt, ein „Largo, cantabile e mesto“, unbestritten das Zentrum des gesamten Werkes. Das lässt sich in einer wunderbaren, hoch konzentrierten Annäherung durch die vier Musiker leicht nachvollziehen, wäre da nicht die Hürde, dass Haydn für diesen einen Satz ausgerechnet die seltene Tonart Fis-Dur gewählt hat. Das ist etwas, was auch einem gut gebildeten Durchschnittsmusiker die Schweißperlen auf die Stirn treibt, diese exzellenten Streicher als kleine technische Hürde aber kaltlässt. Das macht dieses kleine Stück zu großer Musik.

Das Epos-Quartett ist seit Jahren ein festes Streichquartett-Ensemble bei der „Pforte“, wurde aber in dieser Saison an der ersten Geige durch die fabelhafte gebürtige Augsburgerin Sophie Heinrich, die kurzzeitig auch als Konzertmeisterin der Wiener Symphoniker Aufsehen machte, neu besetz. Neben ihr wirkt an der Zweiten Geige die vielseitig tätige Deutsche Verena Sommer gemeinsam mit den beiden bewährten Kräften, Kurator Klaus Christa als Musiker an der Viola und dem unverwüstlichen Franzosen Francois Poly am Violoncello. So ist das Ensemble auch in dieser leicht veränderten Besetzung klangvoll zusammengewachsen. Es gibt Haydns meisterlichem Werk mit seinen himmlisch anmutenden Schönheiten die Leichtigkeit des Seins, den spannenden Biss in scharfen Punktierungen und die Konzentration eines mitreißend exekutierten Finalsatzes, der irgendwo in lichten Höhen gipfelt. Dann präsentiert Christa seine Lieblingsbeschäftigung mit der Wiedererweckung von Musik komponierender Frauen in einer Zeit, als dies noch als höchst unschicklich galt. Diesmal ist es die Wienerin Vilma von Webenau (1875 – 1953), deren zweites Streichquartett den deutlichen Kontrapunkt zwischen Haydn und Beethoven bildet. Das Werk atmet hörbar Einflüsse ihres Lehrers Arnold Schönberg aus der Zeit, als er vor „Erfindung“ der Zwölftonmusik noch einen spätromantisch aufgebrochenen Stil wie in seiner populären „Verklärten Nacht“ pflegte.
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Pfeffer ins Geschehen bringt Beethovens zwischen Schroffheit und Üppigkeit schwankendes Streichquartett op. 74 in Es-Dur, das in seinen gedanklich weit vorauseilenden, oft fantastisch wild aufgewühlten Motiven und der Ausführlichkeit seiner Verarbeitung enorme Anforderungen nicht nur an die Musiker, sondern auch ans Publikum stellt. Dass Beethovens Botschaft angekommen ist, wird am begeisterten Jubel deutlich, der gleich danach losbricht. Doch nach diesen intensiven zwei Stunden Kammermusik sollte noch nicht Schluss sein. Klaus Christa hatte einen weiteren Konzertteil als „Nachtmusik“ aus dem ihm wichtigen Bereich der „Pforte von morgen“ geplant, mit zwei jungen Streichquartetten und weiteren Uraufführungen. Doch da versagt ihm für diese „Lange Nacht“ ein Teil des Publikums die Gefolgschaft, darunter auch Ihr Rezensent. Es war einfach zu viel des Guten.
FRITZ JURMANN