Gut versteckt hinter Efeuranken

Bregenzer Geheimnisse: Der Luftschutzstollen „Am Brand“ hinter der Herz-Jesu-Kirche.
Bregenz Gerhard Tauber lehnt sich gegen das Tor neben der Herz-Jesu-Kirche und deutet auf eine breite Efeuranke an der Felswand, die dort rechter Hand zu sehen ist. „Dort hinten ist er, einer der beiden versteckten Bunkereingänge“. Der Zugang ist kaum auszumachen, und wer nicht weiß, wohin er blicken muss, hat keine Chance, ihn zu entdecken. Der Ursprung des Bunkers „Am Brand“, zu dem die Eingänge hinter der Herz-Jesu-Kirche führen, geht zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs (1939-1945), genau genommen sogar in seine letzten Monate. „In Bregenz hat es während des Krieges bereits mehrere Luftschutzräume in der ganzen Stadt gegeben“, erklärt Gerhard Tauber. Sie befanden sich beim ehemaligen Landesregierungsgebäude in der Montfortstraße, beim Landesarchiv in der Kirchstraße, bei der Kreisleitung der NSDAP in der Augasse und auch in dem einen oder anderen größeren Keller von Privatpersonen. Doch erst nach den größeren Luftangriffen in der unmittelbaren Nachbarschaft – wie in Feldkirch am 1. Oktober 1943 oder in Friedrichshafen am 28. April 1944 – intensivierte die Führung der NSDAP ihre Bemühungen zum Ausbau von Luftschutzräumen. Etwa ein Jahr vor Kriegsende wurden Pläne für acht unterirdische „Luftschutz-Deckungsgräben“ entworfen, die jeweils bis zu 200 Personen unterbringen konnten und zum Schutz vor Trümmern und Splittern dienen sollten, wenn kein geeigneter Keller vorhanden war. Bereits vorhandene öffentliche Luftschutzräume und -keller wurden ausgebaut und verbessert.

Am 11. Mai 1944 begannen die Vorarbeiten für den bombensicheren Luftschutzstollen „Am Brand“ hinter der Herz-Jesu-Kirche. Rund 1000 Bregenzer sollten hier im Ernstfall Platz finden, vor allem diejenigen, die in der Innenstadt lebten und keinen eigenen Luftschutzkeller zur Verfügung hatten. „Das Bunkersystem weist im Bereich hinter der Herz-Jesu-Kirche mehrere verzweigte Gänge und Aufweitungen auf. Das lässt den Schluss zu, dass hier eine Art Kommandostand eingerichtet war“, überlegt Gerhard Tauber. Das Vorhandensein von zwei nebeneinander liegenden Bunkereingängen in einer Entfernung von nur 40 Metern deutet ebenfalls auf eine wichtigere Funktion hin. „Außerdem hat dieses Stollensystem noch einen dritten Eingang, der am Tobelausgang des Weissenreutebaches liegt“. Nachdem „Am Brand“ fertiggestellt war, folgten in den letzten Kriegsmonaten weitere Stollen und Bunker bei der Riedenburg, am Sandgrubenweg, bei der Mädchenschule Marienberg, am Pfänderweg und Am Stein. Sie boten der Bevölkerung auch dann Schutz, als französische Tiefflieger die Stadt am 1. Mai 1945 angriffen und 80 Gebäude zerstörten.

Nach dem Krieg ließ die Stadt die Eingänge zu dem Stollen verschließen. „Aber bis in die 70er-Jahre hinein gab es immer wieder Probleme mit Kindern und Jugendlichen, die die Absperrungen aufbrachen“, sagt Gerhard Tauber. Am 8. Mai 1975 hätte sich beinahe ein Unglück ereignet, weil Kinder durch ein Eingangsloch ins Innere krochen und der Zugang dann von einer anderen Gruppe verbarrikadiert wurde. Hätte nicht zufällig eine Frau in der Nähe die Hilferufe der Kinder gehört und für ihre Befreiung sorgen können, hätte der Lausbubenstreich eventuell ein schlimmes Ende genommen. Seit dem Jahr 2000 sind die Bregenzer Stollen im Besitz der Republik Österreich. Und im Fall der beiden Eingänge hinter der Herz-Jesu-Kirche kümmert sich der Efeu – neben der Absperrung – darum, dass niemand unbemerkt hineinkommt.
Diese und 49 weitere spannende Geschichten über geheimnisvolle Bregenzer Relikte ist zu lesen im Buch „Bregenzer Geheimnisse“.