Nur die Hoffnung bleibt
Mehr als drei Monate sitzen sie nun im Palais Epstein in Wien und versuchen, eine Regierung auf die Beine zu bringen. Nicht ganz selbstlos natürlich, denn immerhin geht es auch um Machterhalt. Bei den drei Verhandlungspartnern – ÖVP, SPÖ und NEOS – sind ja nicht die großen Wahlgewinner am Tisch, sondern zwei heftige Verlierer und mit den NEOS eine Partei, die sich gehalten hat. Die Wahlgewinner, die Freiheitlichen, sitzen und schüren von hinten das Feuer. Ganz so, wie vor vielen Jahren ein Wahlplakat der FPÖ in Vorarlberg gelautet hat: „s’Für unterm Füdla der Großparteien“ – vielleicht nicht mehr ganz korrekt aus dem Gedächtnis zitiert, aber dem Sinn nach richtig.
Genau jetzt, während ich das schreibe, kommt die Meldung, dass sich die NEOS aus der Regierungsbildung verabschiedet haben. Das ist keine gute Nachricht, denn nun sehen wir doch die Möglichkeit, dass sich die ÖVP – wie in einigen Landtagen, auch in Vorarlberg – mit der FPÖ zusammentut. Dann haben wir in Österreich nahezu flächendeckend die Freiheitlichen in den Regierungen. Die Chance, dass sich SPÖ und ÖVP nun wieder die Grünen ins Boot holen, scheint doch ziemlich klein. Und gemeinsam haben sie nur eine knappe Mehrheit.
„Die Chance, dass sich SPÖ und ÖVP nun wieder die Grünen ins Boot holen, scheint doch ziemlich klein.“
Es gibt, ungeachtet der neuen politischen Situation, mehrere Themen, die in nächster Zukunft dringend auf die Tagesordnung gehören, ein bisher fast immer vernachlässigtes ist die Bildung. Alle wissen wir, dass Bildung die Grundlage wirtschaftlichen Erfolges ist, dass sie am besten sozialen Ausgleich schafft, dass sie politische Entscheidungen möglich macht. Es gibt ja einen Grund, warum früher die Kirche oder auch die Feudalherrscher dem Volk Bildung vorenthalten haben – wer wenig weiß, der ist leicht zu beherrschen. Auf heutige Situation umgelegt: Der folgt am leichtesten politischen Populisten. Und das könnte bei der ÖVP dafür sprechen, mit den Freiheitlichen über die nächste Regierung zu verhandeln. Derzeit seht dem allerdings noch Bundekanzler Karl Nehammer mit seinem Wort im Wege.
Der Psychiater und Ökonom Stefan Brunnhuber, Mitglied des Club of Rome, meinte in einem Vortrag im Bildungshaus Batschuns: „Ein Euro Investition in Bildung bringt einen sozialen Benefit, also Gewinn für die Gesellschaft, des Zehn- bis Fünfzehnfachen. Wir können nachweisen, dass – wenn Gesellschaften in Bildung investieren – beispielweise die Lebenserwartung länger ist, die Gesundheit besser ist, der Wohlstand höher ist, das Einkommen höher ist, sogar Nachhaltigkeit-Standards nehmen zu. Das heißt, im Kern ist Bildung nebenwirkungsfrei mit großem Vorteil für alle versehen.“ Das sollte man den verbleibenden Regierungsverhandlern ins Stammbuch schreiben. Vor allem Bildungsminister Martin Polaschek, wenn er denn (was nicht gerade auf meinem Wunschzettel steht) auch in einer neuen Regierung für Bildung zuständig sein wird. Aber wie gesagt: Wir wollen uns keinen falschen Hoffnungen hingeben, wünschen uns aber trotzdem Bildung in der Regierungsbildung.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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