Otto Schenk gestorben – Der Publikumsliebling sagt Adieu

Kultur / 09.01.2025 • 18:52 Uhr
Otto Schenk gestorben - Der Publikumsliebling sagt Adieu

Die Schauspiellegende ist am Donnerstag im Alter von 94 Jahren verstorben.

Wien Mehr als 75 Jahre stand Otto Schenk als Schauspieler auf der Bühne und machte sich zugleich als Theater- und Opernregisseur einen Namen. Von 1988 bis 1997 leitete er das Theater in der Josefstadt, 1983 inszenierte er bei den Bregenzer Festspielen den ‘Freischütz’ – mit Adam Fischer am Dirigentenpult, der damals am Beginn seiner Weltkarriere stand. Nun ist der vielseitige Künstler, der selbst im hohen Alter mit seinen Rezitationsabenden begeisterte, im Alter von 94 Jahren in seinem Haus am Irrsee in Oberösterreich verstorben. Bundespräsident Alexander Van der Bellen: “Ein Komödiant ist tot. Einer? Nein, der Komödiant schlechthin, der uns mit seiner Wandelbarkeit faszinierte, der uns mit seinem Witz zum Lachen brachte, der uns mit der Schärfe seines Verstandes den Spiegel vors Gesicht hielt”.

Otto Schenk
Otto Schenk inzenierte 1983 bei den Bregenzer Festspielen den “Freischütz”. Oskar Spang, Stadtarchiv Bregenz

Geboren wurde Otto Schenk am 12. Juni 1930 in Wien als Sohn eines Notars und einer aus Triest stammenden Mutter. Sein Bühnendebüt feierte er bereits 1947 als Gendarm in Karl Schönherrs “Karrnerleut” im Theater der Jugend. Beim Vorsprechen am Max-Reinhardt-Seminar als Zettel überzeugte er u.a. die große Helene Thimig.

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Mit einer Gruppe gleichgesinnter Theaterenthusiasten übernahm er in dieser Zeit auch das Parkring-Theater und landete mit Erich Neubergs Inszenierung von Becketts “Warten auf Godot” einen großen Erfolg. Aus den Kellertheatern wechselte er Mitte der 50er über das Volkstheater ans Theater in der Josefstadt.

Otto Schenk gestorben - Der Publikumsliebling sagt Adieu
Otto Schenk bekam 2016 die “Romy” für sein Lebenswerk, knieend überreicht von Michael Niavarani. APA/ORF/ROMAN ZACH-KIESLING

Den Durchbruch als Regisseur feierte Otto Schenk 1960 mit seiner Josefstadt-Inszenierung von Eugene O’Neills “O Wildnis!”. Es folgten Horváth-Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen, Regiearbeiten am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, bei den Salzburger Festspielen und “Wie es euch gefällt” sowie die Nestroy-Stücke “Der Talisman” und “Der Zerrissene” und an der Burg. Sein Schauspieldebüt am Burgtheater gab er erst 1996 als Hohes Alter in Raimunds Zaubermärchen “Der Bauer als Millionär”.

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Als Opernregisseur gelang dem gebürtigen Wiener eine Weltkarriere. APA/HERBERT NEUBAUER

Bei allem Erfolg im deutschen Sprachraum machte Otto Schenk die Weltkarriere dann aber als Opernregisseur. Seine erste Oper inszenierte er mit Mozarts “Zauberflöte” bereits 1957 am Salzburger Landestheater. Den endgültigen Durchbruch schaffte Schenk 1962 mit Bergs “Lulu” an der Wiener Staatsoper. Bei den Salzburger Festspielen inszenierte er u.a. die Uraufführung von Cerhas “Baal”. Die New Yorker Met, wo Schenk 1970 mit “Fidelio” debütierte und 2009 noch einmal seinen “Ring des Nibelungen” auf die Bühne brachte, wurde seine zweite künstlerische Heimat.

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Seine letzte große Premiere im Theater in der Josefstadt feierte er 2019 in Tschechows “Der Kirschgarten”. apa/herbert neubauer

Aber auch selbst stand Schenk immer auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und hat sich mit unzähligen Rollen in das Gedächtnis des Publikums gespielt, etwa als “Bockerer”, als Fortunatus Wurzel in “Der Bauer als Millionär”, als “Volpone”, als Salieri in Shaffers “Amadeus”, als Zauberkönig in “Geschichten aus dem Wiener Wald”, als Molières “Der Geizige”, als Rappelkopf in Raimunds “Der Alpenkönig und der Menschenfeind”, in Turrinis “Josef und Maria” oder als Thomas Bernhards “Theatermacher” (2006). Seine letzte große Premiere im Theater in der Josefstadt feierte er 2019 in Tschechows “Der Kirschgarten”, noch im Jahr 2023 stand er mit einem Erinnerungsabend auf der Bühne im Theater Akzent.

Otto Schenk gestorben - Der Publikumsliebling sagt Adieu
Otto mit seiner geliebten Ehefrau Renee Schenk. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Otto Schenk war ebenso Kammerschauspieler wie Ehrenmitglied von Wiener Staatsoper und Theater in der Josefstadt. “Die Kunst, zum Lachen zu bringen, ist Otto Schenk wie kaum einem anderen gegeben. Weil dieses Lachen aber mit dem geheimen Erkennen menschlicher Fehlbarkeit verbunden ist, lieben ihn die Menschen”, hieß es 2000 in der Begründung für den Lebenswerk-“Nestroy”.

Otto Schenk
Otto Schenk war auch immer wieder sehr gerne in Vorarlberg zu Gast, sowohl aus privaten als auch aus beruflichen Gründen. rudolf zündel

Seine Popularität in Österreich verdankte Schenk auch seiner regen Bildschirm-Präsenz wie etwa in “Mein Opa ist der Beste” oder “Mein Opa und die 13 Stühle” und seinen zahlreichen Lesungen. Mit Kabinettstücken wie “Die Sternstunde des Josef Bieder” oder “Othello darf nicht platzen” hat er sich vor allem als Komiker ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben.

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Otto Schenk: “Würde man mich fragen, ob ich Angst vor dem Tode habe, so würde ich antworten: Fragt mich das später!” APA/HERBERT NEUBAUER

Zuletzt war Otto Schenk 2020 in Michael Kreihsls TV-Komödie “Vier Saiten” mit einem neuen Werk am Bildschirm zu erleben. “Es war nicht immer komisch”, hat er dagegen ein Erinnerungsbuch genannt, “Ich war nie darauf aus, dass es komisch wird. Ich war darauf aus, dass man mir glaubt.”

Zitate eines großen Theatermanns

Otto Schenk war nicht nur gefeierter Publikumsliebling, sondern stets auch pointierter Beobachter und Kommentator des Lebens, der Menschen und der Welt. Im Folgenden einige ausgewählte Zitate aus Otto Schenks Büchern und Interviews.

Otto Schenk über…

… SEIN TALENT

“Ich habe nie wirklich an mein Talent geglaubt, ich wollte immer mehr haben, eine schönere Stimme, ein brillanteres Auftreten, überhaupt wollte ich viel geschickter und eleganter sein.”

“Ich war nie darauf aus, dass es komisch wird. Ich war darauf aus, dass man mir glaubt.”

“Ich bin ein embryonales Talent. Was ich als Embryo nicht konnte, hab ich nie dazugelernt.”

“Die Aufnahmsprüfung im Reinhardt-Seminar war mein größter Erfolg, der erste Höhepunkt in meinem Leben.”

… DEN SCHAUSPIELER

“Der Schauspieler ist extrovertiert, daher kommen seine Schwächen zutage.”

“Schon als Kind, noch bevor ich das Theater kannte, war das Leben für mich eine Art Schauspiel. (…) Schließlich konnte ich meine Sucht, etwas darzustellen und nachzumachen, nur an einem Ort ausleben: am Theater.”

“Eigentlich gibt es am Theater nur den Schauspieler. Dann gibt es die, welche für ihn schreiben – Shakespeare zum Beispiel; jemanden, der Rollen für ihn aussucht – der Direktor; und einen, der ihm hilft, sich Unarten auf der Bühne abzugewöhnen – der Regisseur.”

“Ich habe immer gewusst, dass ich Schauspieler werden wollte. Nur was es genau ist, weiß ich bis heute nicht.”

… DAS THEATER

“Das Grausame des Theaters ist, dass die Sachen haltbar und wiederholbar gemacht werden müssen.”

“Meiner Ansicht nach ist das Mitleiden eine der wichtigsten Komponenten des Theaters.”

“Ans Theater ging ich mit dem Bestreben, berühmt zu werden, aus keinem anderen Grund. Ich hätte es als Versagen empfunden, nur dabei zu sein.”

… DAS THEATER IN DER JOSEFSTADT

“Das Theater in der Josefstadt ist nicht nur meine künstlerische Heimat, es ist mein zweites Zuhause. Mitarbeiter und Kollegen sind meine Familie, die Bühne mein Wohnzimmer. Nirgendwo habe ich mehr Zeit meines Lebens verbracht als in dem kleinen Biedermeiertheater im achten Wiener Gemeindebezirk.”

“Ich habe gleich im ersten Jahr bemerkt, dass der Josefstadt-Direktor kein Schreibtischtäter sein kann, sondern ich musste an vorderster Front mittun. Ich musste Hauptrollen spielen, Regie führen und von der Bühne aus das Theater reformieren.”

“Ich habe das Theater von der Bühne geführt, weniger vom Schreibtisch aus. Da habe ich natürlich wahnsinnig viel gespielt, eigentlich aus einem Nachholbedürfnis heraus.”

“In der Josefstadt haben die Schauspieler geplaudert, weil die Probe noch nicht angefangen hat, und dann hat die Probe angefangen und sie haben weiter geplaudert.”

“Ich bin mit dem Haus verwurzelt. Dieses Haus hat mich geprägt bis in die letzte Faser meiner Seele. Ich habe immer besonders geliebt, wenn dort etwas gelungen ist, und ich habe jeden falschen Ton an der Josefstadt besonders gehasst. Die Natürlichkeit war ja immer das Markenzeichen der Josefstadt.”

… DIE OPER

“Meine große Herzenswege habe ich in der Oper beschritten, dafür habe ich viele große Rollen versäumt.”

“Es hat in meinem Kopf nicht nur einen Theaterrausch, sondern auch immer einen Opernrausch gegeben. Ich habe seit jeher Sehnsucht nach der Musik gehabt – und immer das Gefühl, ich kann nichts. Ein Jongleur kann jonglieren, ein Geiger kann Geige spielen, aber was kann ich? Ich kann reden, das können alle anderen auch; ich kann schreien, das können nicht so viele, aber Babys können das ganz gut. Und Sänger können singen. Und so habe ich mich durch das Hintertürl Regie in diesen goldenen Käfig eingeschlichen, wo die Schauspieler etwas Wunderbares können: Singen!”

… SEIN ERFOLGSGEHEIMNIS

“Ich bin nur fleißig, weil ich weiß, dass es mir fürchterlich auf den Schädel fällt, wenn ich es nicht bin.”

“Man darf nicht glauben, dass man so gut ist, wie man glaubt, dass man ist.”

“Ich bin nicht auf Publikumsreaktionen aus, aber sie überraschen mich angenehm. Ich weiß, dass eine Stille etwas bedeutet, und ich weiß, dass ein Lacher etwas bedeutet.”

… ERFOLG

“Ich habe zum Erfolg eine ambivalente Einstellung, weil ich nicht genau weiß, wo er herkommt und wie er befriedigt werden kann.”

“Mich überrascht jede Art von Erfolg. Es hat mich schon überrascht, dass meine Frau mich mochte.”

… LITERATUR

“Ich bin nicht gläubig. Ich glaube aber an Gedichte. An die Dichter und die Kraft der Dichtung.”

“Ich lese sehr viele Gedichte, weil sie einfach kurz sind. Statt zu beten, lese ich jeden Tag ein oder zwei Gedichte.”

… DAS ALTER

“Ich wollte immer alt werden – das hat sich sehr gegeben.”

“Ich hab mich zum ersten Mal alt gefühlt, wie mir als Kind der Lutscher nicht mehr geschmeckt hat.”

“Wie man so alt wird? Ich habe mich jahrelang ausschließlich von krebsfördernden Dingen ernährt.”

“Das Alter stellt einen vor Aufgaben, für die man nicht geübt ist.”

“Ich empfinde das Alter als Rückentwicklung zum Kind.”

“Bühnenpräsenz gibt es überhaupt keine mehr. Wenn man nicht mehr gehen kann, kann man nicht Theater spielen.”

… LEBEN UND ÜBERLEBEN

“Es ist sehr schön, dabei zu sein, und es ist eine große Gnade, dass man soviel überleben durfte. Im Krieg hat man an jedem Abend gejubelt, dass man noch am Leben war, und bei jedem Brief, der gekommen ist, dass wer anderer noch am Leben war.”

… DAS STERBEN

“Was mein Alter betrifft: Ich bin bereit und weiß, dass alles sofort zu Ende sein kann. Ich freue mich, dass alles begrenzt ist.”

“Sterben macht Mist. Und man weiß nicht, wo man den Mist macht.”

“Ich war und bin am Leben interessiert, habe mich um die Mitwelt gekümmert, nicht um die Nachwelt. Mir tut’s nur leid, dass ich die Zeitungen unmittelbar nach meinem Tod nicht lesen kann.”

“Würde man mich fragen, ob ich Angst vor dem Tode habe, so würde ich antworten: Fragt mich das später!”