Fesselndes Schauspiel über moderne Medizin

Uraufführung “Schmerzambulanz” von Elena Messner in der Box des Landestheaters.
Bregenz Die Uraufführung der Theateradaption „Schmerzambulanz“ nach dem Roman von Elena Messner am Samstagabend in der Box des Vorarlberger Landestheaters bietet ein eindringliches Schauspiel.

Im Mittelpunkt steht die Geschichte einer älteren Patientin, die im Krankenhaus zusammenbricht. Dieser dramatische Moment macht nicht nur die individuellen Schicksale der Betroffenen sichtbar, sondern legt auch die systemischen Schwächen eines Gesundheitswesens offen, das zunehmend von ökonomischen Interessen dominiert wird. Der Konflikt zwischen Effizienzstreben und menschlicher Zuwendung spitzt sich in der Figur der Oberärztin Judit Kasparek zu, die den Fall nicht einfach auf sich beruhen lassen kann. Ihr beharrliches Insistieren auf einem Ethikkonsil markiert einen Wendepunkt und unterstreicht die Notwendigkeit einer einfühlsamen Medizin. Dabei wird sie von einem System aus Vorschriften und finanziellen Zwängen ausgebremst, das vordergründig auf Effizienz getrimmt ist, letztlich aber immer wieder an den Bedürfnissen der Patienten vorbeigeht.

Maria Lisa Huber beeindruckt mit einer Darstellung, die die inneren Konflikte ihrer Figur präzise auslotet. Sie zeigt eine Ärztin, die sich zwischen ihren medizinischen Überzeugungen und den ökonomischen Erfordernissen des Klinikbetriebs aufreibt. Auch Isabella Campestrini überzeugt mit feinen Nuancen, die die Verletzlichkeit und latente Spannung ihrer Rolle spürbar machen. Nico Raschner verkörpert mit charismatischer Präsenz den selbstherrlichen, überheblich dozierenden Chefarzt, Suat Ünaldi rundet das Ensemble ab. Gemeinsam zeichnen sie ein facettenreiches Bild der Krankenhaushierarchien und der subtilen wie offenen Machtstrukturen, die darüber entscheiden, welche Entscheidungen getroffen werden – und welche nicht.

Besonders eindrucksvoll sind die eingespielten Videoaufnahmen, in denen reale Krankenhausmitarbeiter zu Wort kommen – ein Moment dokumentarischer Authentizität, der die Realität, die Schrecken und die Nöte des Klinikalltags eindrucksvoll widerspiegelt. Die Stimmen der Pflegerinnen, Ärztinnen und Verwaltungsangestellten zeichnen ein ungeschminktes Bild der täglichen Herausforderungen im Gesundheitswesen und verleihen der Inszenierung zusätzliche Dringlichkeit.

Sarah Misturas Videoelemente erweitern die Inszenierung um eine visuelle Ebene, die globale Gesundheitsdebatten mit individuellen Schicksalen verbindet. Die immer wieder eingeblendeten Erfahrungsberichte des Krankenhauspersonals unterbrechen die theatrale Erzählung und konfrontieren das Publikum mit der faktischen Dimension des Dargestellten. Hier wird deutlich: Was auf der Bühne als Drama erzählt wird, ist für viele Menschen gelebter Alltag.

Viola Köster gelingt eine Inszenierung, die Analyse mit künstlerischer Kraft verbindet. Sie zeigt die Dilemmata des medizinischen Personals ebenso wie die strukturellen Schwächen des Systems. Dabei vermeidet sie eine eindimensionale Kritik und lenkt den Blick auf die Möglichkeiten einer humaneren Medizin – einer Medizin, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt.

„Schmerzambulanz“ bringt ein aktuelles, brisantes Thema auf die Bühne, ohne in plakative Kontraste zu verfallen. Die Frage „Geht es in der Medizin um die Krankheit oder um den Menschen?“ zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück und fordert das Publikum zum Nachdenken auf. Die Uraufführung reflektiert die Realität der Krankenhauswelt und appelliert an eine gerechtere und einfühlsamere Gesundheitsversorgung. Insgesamt bietet die Aufführung eine durchdachte Mischung aus schauspielerischer Präzision, analytischer Tiefe und atmosphärischer Dichte. Die schauspielerische Leistung und das prägnante visuelle Konzept machen „Schmerzambulanz“ zu einem beeindruckenden Beitrag zum zeitgenössischen Theater.
Schmerzambulanz
Vorstellungen in der Box
Do, 27.02.2025, 19.30 Uhr
Sa, 01.03.2025, 20.30 Uhr
Sa, 08.03.2025, 19.30 Uhr
Di, 11.03.2025, 19.30 Uhr
Fr, 06.06.2025, 19.30 Uhr
So, 08.06.2025, 19.30 Uhr
Mi, 11.06.2025, 19.30 Uhr
Do, 12.06.2025, 19.30 Uhr
Vormittagsvorstellungen
Mi, 05.03.2025, 10.00 Uhr
Mi, 11.06.2025, 10.00 Uhr