Ein bereichernder Ort der Begegnung

Eröffnung des Literaturhauses Vorarlberg in der Villa Franziska und Iwan Rosenthal in Hohenems.
Hohenems Am Samstag, 5. April, wird das Literaturhaus Vorarlberg in der Villa Franziska und Iwan Rosenthal in Hohenems offiziell eröffnet. Das historische Gebäude aus dem Jahr 1890 liegt im Zentrum der Stadt und bietet auf 360 Quadratmetern Raum für ein neues Konzept der Literaturvermittlung. „Das Literaturhaus Vorarlberg soll ein offener Ort des Austauschs und der Inspiration sein“, sagt die Leiterin Frauke Kühn. „Es soll nicht nur Lesungen bieten, sondern auch als Labor dienen – ein Raum, in dem Autorinnen und Autoren sowie Besucher neue Wege des Erzählens erkunden können. Der Schreibprozess steht dabei im Mittelpunkt. Klassische Lesungen bleiben die Ausnahme. Vielmehr geht es um innovative Formate, die Literatur interaktiv erlebbar machen“.

Die Idee des Literaturhauses geht über das reine Lesen hinaus. Tagsüber gibt es ein breit gefächertes Programm, das unterschiedliche Zielgruppen anspricht. Neben Workshops für Kinder und Jugendliche gibt es ein Schreibzimmer – das größte in der Bodenseeregion. Hier finden Schreibende eine inspirierende Umgebung, um an ihren Texten zu arbeiten. Für Familien werden literarisch gefüllte Picknickkörbe angeboten, die zu Lesepausen im Garten der Villa einladen. Für Jugendliche bietet das Literaturhaus Formate, die über die klassische Lesung hinausgehen. Sie können eigene Podcasts aufnehmen, sich in Rollenspielen ausprobieren oder an Meisterklassen mit angesehenen Autorinnen und Autoren teilnehmen.

Gerade für junge Menschen, die sich für Literatur, Medien oder Kulturmanagement interessieren, gibt es praxisnahe Programme, die erste Einblicke in diese Bereiche ermöglichen. Besonderes Augenmerk wird auf neue Erzählformen und interdisziplinäre Projekte gelegt. So sind Kooperationen mit Kunst, Musik oder Theater geplant, um die Grenzen zwischen den Genres auszuloten. Lesungen werden mit Performances kombiniert, Sprachwerkstätten bringen Autorinnen und Autoren mit anderen Kreativen zusammen.

Im ersten Monat nach der Eröffnung bietet das Literaturhaus ein abwechslungsreiches Programm. Der Vorarlberger Autor Christian Futscher und sein Lektor Florian Huber (Czernin Verlag) zeigen, wie die Arbeit an einem Manuskript bis zur Drucklegung verläuft. Das Publikum kann nicht nur zuhören, sondern auch Fragen stellen und eigene Eindrücke einbringen. Im Mai folgt ein literarisches Gespräch zwischen der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer und ihrer dänischen Übersetzerin Dorthe Seifert. Erstmals treffen sich die beiden in Hohenems persönlich, um über die Feinheiten des literarischen Übersetzens zu sprechen. Sie gehen der Frage nach, wie Bedeutung von einer Sprache in die andere übertragen wird und warum es für Seifert entscheidend war, Helfers selbst gelesene Hörbücher zu hören.

Die Villa Rosenthal wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Textilindustriellen Iwan Rosenthal und seiner Frau Franziska in Auftrag gegeben. Die Schweizer Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudy entwarfen das Haus im Stil des Historismus, der Elemente des Klassizismus, des Jugendstils und des Japonismus vereint. 1931, nach dem Tod von Franziska Rosenthal, ging die Villa an ihre Nichte Amalie Hess über. Diese hatte ihre Jugendjahre in Hohenems verbracht und war nach Aufenthalten in Stuttgart und London nach München gezogen, wo sie während des Ersten Weltkriegs als Sekretärin eines Chirurgen arbeitete. In den 1930er Jahren wurde die Villa schließlich unter politischem Druck billig verkauft. Erst 2018 erwarb eine Investorengemeinschaft das Gebäude mit dem Ziel, es für kulturelle Zwecke zu öffnen. Seit 2021 wird die Villa behutsam und denkmalgerecht saniert und an die Bedürfnisse eines modernen Literaturhauses angepasst.
