Von wegen Pflugscharen

Kultur / 14.03.2025 • 10:37 Uhr
Walter Fink

Kommentar von Walter Fink.

Eines der bekanntesten und vielleicht schönsten Bibelzitate stammt vom Propheten Jesaja (er lebte im achten vorchristlichen Jahrhundert): „Dann wird er richten zwischen den Völkern und vielen Nationen Schiedsrichter sein. Sie werden umschmieden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Speere zu Winzermessern. Nimmer wird Volk gegen Volk zum Schwerte greifen; üben wird man nicht mehr zum Krieg.“ (Je 2, 4 – zitiert nach der Jerusalemer Bibel.) Jesaja formulierte die Sehnsucht der Menschen nach Frieden, die allerdings in den letzten dreitausend Jahren nie erfüllt worden ist. Im Gegenteil: Immer herrschte irgendwo Krieg, immer wurden Waffen hergestellt, und immer wurden es mehr. Uns kommt der zweifelhafte Ruhm zu, so viele Waffen zu produzieren wie nie zuvor. Die globalen Militärausgaben stiegen 2023 laut einem in Stockholm vom Friedensforschungsinstitut Sipri veröffentlichten Bericht auf 2.443 Milliarden US-Dollar, ein neuer Rekordwert. Ein Betrag, den man sich nicht mehr vorstellen kann, der aber zeigt, dass wir nach wie vor unvergleichlich mehr tun, um Schwerter herzustellen als sie in Pflugscharen umzuschmieden, wie Jesaja meinte. Dazu eine Zahl aus dem Jahr 2024 zum Vergleich: Aktuelle Schätzungen von Oxfam, der großen Hilfs- und Entwicklungsorganisation, zeigen, dass in diesem Jahr etwa 23 Milliarden Dollar nötig wären, um die Bedürfnisse von Menschen zu decken, die unter extremem Hunger und akuter Unterernährung leiden müssen. Ein geradezu lächerlicher Betrag gegen die 2.443 Milliarden für die Rüstung, nämlich schlicht ein Prozent der Militärausgaben.

Wir sollen aber nicht nur auf die schlechte Welt schauen, sondern auch in unsere Umgebung. Da gibt es im Internet eine Karte „Blutroter See“, in der die Rüstungsbetriebe um den Bodensee eingezeichnet sind. Und da gibt es – außer Vorarlberg, weil es bei uns keine Industrie dieser Art gibt – kaum einen Platz am See, an dem nicht für die Kriegsschauplätze dieser Welt produziert würde. Siebentausend Arbeitsplätze sollen es sein, die in etwa dreißig Betrieben direkt oder indirekt von der Waffenproduktion abhängen. Ein Beispiel: Vor drei Tagen wurde von Rheinmetall, dem größten Rüstungskonzern in Deutschland mit Niederlassung in Stockach am Bodensee, der größte Unternehmensgewinn aller Zeiten verkündet, der Umsatz habe sich um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöht – alles dank Ukraine-Krieg.

In all diesen Aufzählungen ist noch gar nicht berücksichtigt, dass die Europäische Union vor wenigen Tagen einen Milliardenplan für die Aufrüstung Europas vorgestellt hat. Nachdem sich der Alte Kontinent des Beistandes der USA nicht mehr sicher sein kann, sollen nun 800 Milliarden Euro – auch unter Preisgabe bisherigen Stabilitätskriterien – für Rüstungsausgaben freigemacht werden. All das soll natürlich auch der kränkelnden Industrie und Wirtschaft in den Mitgliedsländern der EU zugutekommen. Wirtschaftswachstum durch Militärproduktion. Das hatten wir, wenn ich mich richtig entsinne, doch schon einmal – und das ist damals nicht gut gegangen. Es wird auch heute nicht gut gehen.