Hinter dem Rücken der Zeit

Kultur / 20.03.2025 • 13:43 Uhr
Hinter dem Rücken der Zeit
“Hinter dem Rücken der Zeit” mit dem Trio Tractatus und Lia Hartl. andreas marte

Kammermusik zwischen Wort – Lia Hartl – und Klang – Marcus Nigsch.

Rankweil Am Mittwochabend wurde das Alte Kino Rankweil zum Schauplatz eines intensiven Zusammenspiels von Klang und Sprache. Das Trio Tractatus – Monica Tarcsay (Violine), Karoline Kurzemann-Pilz (Viola) und Fabian Jäger (Violoncello) – präsentierte Werke von Marcus Nigsch, ergänzt durch die Lyrik der Rankweiler Autorin Lia Hartl. Die junge Poetry-Slammerin hat sich mit ihrer präzisen Wortkunst bereits einen Namen gemacht, zuletzt als Gewinnerin der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Im Zentrum des Abends stand Nigschs Werkzyklus Modus Mathematicus, eine Komposition, die sich auf mehreren Ebenen mit mathematischen Strukturen auseinandersetzt. Die Musik basiert auf kleinen, prägnanten Gebilden, die sich in variierenden Konstellationen entfalten – ein Prinzip, das an die strenge Logik des Tractatus von Ludwig Wittgenstein erinnert.

Hinter dem Rücken der Zeit
Das Trio Tractatus: Monica Tarcsay (Violine), Karoline Kurzemann-Pilz (Viola) und Fabian Jäger (Violoncello). andreas marte

Wie dieser entwickelt Nigsch seine Musik nach strukturellen Prinzipien, die einer mathematischen Strenge folgen – dabei aber Raum für klangliche Offenheit lassen. Die Komposition verbindet klare Strukturen mit einer offenen Klangsprache, in der sich Präzision und Poesie durchdringen.

Hinter dem Rücken der Zeit

Den Höhepunkt des Abends bildeten die letzten Sätze des Zyklus, allen voran die “Vier Jahreszeiten” und das titelgebende “Hinter dem Rücken der Zeit”. In den Vier Jahreszeiten verschmelzen Nigschs sphärische Klänge mit den eindringlichen Texten von Lia Hartl. Ihre Sprache oszilliert zwischen Sinnlichkeit und Abstraktion, entwirft dichte Bilder von Nähe und Distanz, von Liebe und Sprachlosigkeit – eingebettet in die zyklische Ordnung der Jahreszeiten, Sinnbild für Wandel und Vergänglichkeit. Nigschs musikalische Sprache gibt dem Text Raum zur Entfaltung. Das Streichtrio wechselt zwischen schwebenden Klangflächen, markanten rhythmischen Strukturen und einprägsamen Linien, die sich organisch miteinander verweben. Besonders in der Überleitung zu Modus “Mathematicus VI – Und die Natur lächelt zurück” zeigte das Ensemble eine gestalterische Finesse, die die Verbindung von Musik und Sprache noch verstärkte. Hier bewies das Trio ein ausgeprägtes Gespür für klangliche Nuancen. Die dynamischen Abstufungen, die subtile Balance zwischen Spannung und Auflösung verliehen der Musik eine Tiefenschärfe, die weit über den reinen Notentext hinausging.

Hinter dem Rücken der Zeit

Mit “Hinter dem Rücken der Zeit” erreichte das Konzert seinen dramatischen Höhepunkt. Nigschs Komposition, die in ihrer rhythmischen Energie entfernt an Strawinskys “Le Sacre du Printemps” erinnert, verlangte dem Ensemble höchste Virtuosität ab. Die Intensität steigerte sich bis zum letzten Ton, der nicht nur klanglich, sondern auch atmosphärisch nachwirkte. Lia Hartls Texte über das Phänomen Zeit – zwischen Vergänglichkeit und der Sehnsucht nach Dauer – bildeten eine ideale Ergänzung. Sätze wie ‚Heut bin ich keine Sonnenblume, heut bin ich melancholisch blau‘ oder ‚Neulich ist wie ein Schmetterling‘ erzeugten eine Spannung zwischen philosophischer Reflexion und konkreter Sinneswahrnehmung. Sie beschrieben die Unausweichlichkeit der Zeit ebenso wie die Möglichkeit, sich ihr hinzugeben. Gerade in der direkten Verbindung mit Nigschs Musik entfalteten die Texte eine ungewohnte Intensität, die das Publikum herausforderte, über das eigene Zeitempfinden nachzudenken.

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Am Ende stand eine konzentrierte Begegnung von Musik und Poesie, getragen von einem Ensemble, das Nigschs Kompositionen mit Präzision und klanglicher Sensibilität zum Leben erweckte. Hinter dem Rücken der Zeit war es eine eindrucksvolle Erkundung des Zusammenhangs von Wort und Klang.