Zwölf Töne, tausend Farben

Kultur / 15.08.2025 • 15:26 Uhr
ChatGPT Image 15. Aug. 2025, 14_27_20.png
David Hellbock am Klavier, Johannes Bär am Sousaphon und die Jazz-Schlagzeugerin Eva Klesse. Andreas Marte

David Helbock Trio verbindet Schönberg und Jazz in der Schattenburg.

Bregenz Im Rittersaal der Feldkircher Schattenburg entfesselte das David Helbock Trio ein Konzert, das den Geist Arnold Schönbergs ebenso würdigte wie die grenzenlose Freiheit des Jazz. Schon der erste Teil des Abends versprach Außergewöhnliches: Helbock, einer der führenden Jazzpianisten Österreichs, griff für sein jüngstes Projekt tief in die Musikgeschichte und widmete sich den „Sechs kleinen Klavierstücken op. 19“ – jenen Miniaturen, die Schönberg 1911 in einer knappen, verdichteten Sprache komponierte. Anstatt sie jedoch bloß im Original zu spielen, stellte Helbock sie an den Anfang eines Experiments, das von der konzentrierten Stille der Vorlage direkt in die fließende, pulsierende Welt des Jazz führte. Zunächst erklangen die kurzen Originale, deren Konzentration auf das Wesentliche legendär ist. Doch hinter den flüchtigen Gesten verbergen sich auch Abgründe, was nicht zuletzt dadurch belegt ist, dass das letzte Stück angeblich auf Gustav Mahlers Begräbnis am 21. Mai 1911 bezogen sein soll. Gleich darauf öffnete sich der musikalische Raum. Die drei Musiker verbanden die Miniaturen zu einem durchgehenden, atmenden Fluss, der sich in jazzige Landschaften mit weiten Improvisationsbögen verwandelte. Dabei blieben die ursprünglichen Motive stets als feine Kontur erkennbar, wurden aber gedehnt, verschoben, umspielt und harmonisch neu gefärbt. Helbocks Klavierspiel war das Herzstück: Es war präzise, ideenreich und voller Energie und setzte immer wieder Impulse, die das Trio in neue Richtungen trugen. An seiner Seite erwies sich Johannes Bär als musikalischer Freigeist am Sousaphon. Allein diese Wahl löste das gängige Bild eines Klaviertrios auf. Mit atemberaubender Technik ließ er das Instrument nicht nur als erdendes Bassfundament wirken, sondern entlockte ihm auch eine Fülle an Klangfarben: vom warmen, tragenden Ton über perkussive Rhythmen bis hin zu fast animalischen Geräuschen. Eva Klesse, derzeit wohl die gefragteste deutsche Jazz-Schlagzeugerin, vervollständigte das Ensemble mit einer Spielweise, die gleichermaßen prägnant wie melodiös war. Sie arbeitete nicht nur rhythmisch, sondern fügte mit ihren filigranen Beckenklängen und ihrer sensiblen Dynamik auch eine klangliche Dimension hinzu, die dem Trio ein ungewöhnlich farbenreiches Profil verlieh. Ihr Gespür für Übergänge und Spannung sorgte dafür, dass die improvisatorischen Ausflüge stets organisch in den gemeinsamen Fluss zurückfanden.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Nach der Pause, in der das Publikum den sommerwarmen Abend in den Burgmauern sichtlich genoss, setzte das Trio seine Reise fort – diesmal mit freieren Improvisationen im Geiste Schönbergs, ergänzt durch Eigenkompositionen von Helbock. Besonders eindrucksvoll geriet „Dancing to Another Space“, das mit einer suchenden, beinah fragilen Geste begann und sich langsam zu einem kraftvollen Klangraum entfaltete. Den Höhepunkt des Konzerts bildete die „Schönberg-Suite“, in die Helbock Motive aus Schönbergs Klavierkonzert und der „Verklärten Nacht“ kunstvoll eingearbeitet hatte. Mal dominierten harmonisch spannungsgeladene, dunkle Klangfelder, mal öffneten sich lyrische, beinahe kammermusikalische Passagen, in denen die drei Musiker intensiv interagierten. Besonders faszinierend war das Spiel mit Verdichtungen und plötzlichen Aufhellungen, das bis zu einem fast unerwarteten Schluss mit einer augenzwinkernden Anspielung auf Schönbergs Zwölftontechnik führte. Helbock, Bär und Klesse verbanden in diesem Abend das Erbe eines Komponisten, der einst die musikalische Sprache revolutionierte, mit der lebendigen, spontanen Kreativität des Jazz – ein Brückenschlag zwischen Epochen, Stilen und Klangwelten, der nicht nur musikalisch überzeugte, sondern auch eine tiefe, fast sinnliche Freude am gemeinsamen Spiel vermittelte. Am Ende des Abends hatten die drei außergewöhnlichen Musiker die strengen Miniaturen Schönbergs mit Respekt und Neugier aufgenommen und ihnen zugleich neue, funkelnde Horizonte eröffnet – getragen von Virtuosität, Spielfreude und Ensemblegeist.