Zwischen innerer Sammlung und klanglicher Weite

Kultur / 13.07.2025 • 14:44 Uhr
William Youn
William Youn präsentierte in Hohenems Werke von Brahms, Ravel und Schubert. Schubertiade

Pianist William Youn im Dialog mit Brahms, Ravel und Schubert bei der Schubertiade.

Hohenems Ein leiser Auftakt, ein konzentrierter Spannungsbogen und ein kraftvoller Abschluss: Im Rahmen der Schubertiade in Hohenems gestaltete der südkoreanische Pianist William Youn ein Programm, das von den spätromantischen Miniaturen Johannes Brahms’ über impressionistische Klangflächen bei Maurice Ravel bis hin zur strukturellen Weite Franz Schuberts reichte. Youn, 1982 in Seoul geboren, gehört zu den profilierten Vertretern einer reflektierten Pianistik. Die Grundlage seines heutigen Interpretationsansatzes, der durch sorgfältig konzipierte Programme und die Gesamteinspielung der Schubert-Sonaten international Beachtung gefunden hat, ist seine Ausbildung in den USA, Hannover und München bei Lehrern wie Karl-Heinz Kämmerling, Elisso Wirsaladse und Bernd Glemser.

William Youn
Klavierkonzert von William Youn bei der Schubertiade. Schubertiade

Zum Auftakt erklangen die “Drei Intermezzi op. 117” von Johannes Brahms. Youn wählte eine zurückhaltende Gangart, die das erste Intermezzo wie ein tastendes Nachsinnen erscheinen ließ. Die fliessenden Bewegungen und die kontrollierte Dynamik eröffneten den Zyklus mit einem deutlichen Fokus auf Innenspannung statt äußerem Ausdruck. Im Verlauf der drei Stücke verdichtete sich die musikalische Sprache, die Artikulation wurde klarer konturiert und der Spannungsverlauf geschärft. Besonders das dritte Intermezzo – mit seinem Wechsel von aufgerautem Klangbild und resignativem Puls – markierte den interpretatorischen Wendepunkt. Den Kontrast dazu bildete Ravels „Une barque sur l’océan”. Youn entfaltete die impressionistische Klangwelt mit kontrollierter Virtuosität und einem differenzierten Umgang mit der Pedalisierung. Dabei wurden die wellenartigen Arpeggien, das oszillierende Fließen der Textur und die harmonischen Schwebezustände nicht als Effektfläche, sondern als strukturelles Element entwickelt.

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Nach diesen beiden Ausflügen zu Brahms und Ravel stand Franz Schubert im Zentrum. Die e-Moll-Sonate D 566 wurde in der Fassung mit dem hinzugefügten Allegretto in C-Dur gespielt. Youn fokussierte sich auf die kontrastierende Faktur der Sätze und die episodische Form. Auffällig war sein Umgang mit dem thematischen Material, das er weniger als kantable Melodie, sondern vielmehr als Impulsgeber für harmonische Umkreisungen behandelte. Den Schlusspunkt bildete die groß dimensionierte G-Dur-Sonate D 894: Der erste Satz (Molto moderato) war geprägt von einer auffallend ruhigen Grundhaltung, in der Youn bewusst mit Pausen und Phrasenlängen arbeitete. Im Menuett und im Andante lag der Schwerpunkt auf der inneren Dynamik, die durch leichte Akzentverschiebungen und eine differenzierte Anschlagskultur modelliert wurde. Der Schlusssatz wirkte in seinem tänzerischen Charakter gelöst, ohne ins Unverbindliche abzugleiten. Das Programm war mit Bedacht aufgebaut: Die Dramaturgie folgte keiner linearen Steigerung, sondern setzte auf Kontrast, formale Unterschiede und klangliche Übergänge. Die beiden abschließenden Zugaben – unter anderem eines der „Lieder ohne Worte” von Felix Mendelssohn Bartholdy – rundeten den Abend mit zurückgenommenem Tonfall ab. Beide Stücke wurden auswendig vorgetragen, wie das gesamte Konzertprogramm, was an sich schon bemerkenswert ist.

William Youn
Klavierkonzert von William Youn bei der Schubertiade. Schubertiade

William Youn präsentierte sich als Pianist, der die formale Struktur eines Werkes ebenso in den Vordergrund rückt wie dessen interpretatorische Offenheit. Seine Mittel: kontrollierte Dynamik, ökonomischer Pedaleinsatz und eine unaufgeregte Präsenz am Instrument. Ohne gestische Überhöhung, ohne narrative Überformung. Eine Interpretation, die auf klangliche Klarheit und stilistische Kohärenz setzte.