Musik als Landschaft der Seele

Kultur / 07.08.2025 • 11:56 Uhr
Lech Classic Festival
Der nordische Abend beim Lech Classic Festival war mit Elisabeth Brauß, Florina Ilie und Ayana Tsuji fest in weiblicher Hand. Michael Moosbrugger

Nordischer Abend“ mit Werken von Edvard Grieg und Jean Sibelius bei Lech Classic.

lech Inmitten der Bergkulisse von Lech wurde am Mittwoch in den Lechwelten ein Konzertabend geboten, der die Natur des Nordens nicht nur in Klang übersetzte, sondern sie in ihrer ganzen Tiefe erfahrbar machte. Unter dem Motto „Musik im Einklang mit Natur und Heimat“ bildeten Werke von Edvard Grieg und Jean Sibelius den musikalischen Schwerpunkt – dargeboten von zwei Solistinnen von seltener Ausdruckskraft: Elisabeth Brauß am Klavier und Ayana Tsuji an der Violine. Ergänzt wurde das Programm durch das berührende „Solveigs Lied“, das von der rumänischen Sopranistin Florina Ilie gesungen wurde.

Lech Classic Festival
Elisabeth Brauß begeisterte mit der Peer-Gynt-Suite Nr. 1 von Edvard Grieg. Michael Moosbrugger

Der Auftakt gehörte der Peer-Gynt-Suite Nr. 1 von Edvard Grieg, einem Werk, das sich längst vom Bühnenkontext emanzipiert hat und in der Konzertwelt als Inbegriff norwegischer Klangpoesie gilt. Was das Orchester an diesem Abend entfaltete, war keine pittoreske Postkartenmusik, sondern eine fein gearbeitete Erzählung über Licht, Schatten, Verlorenheit und Aufbruch. Die berühmte „Morgenstimmung“ eröffnete das Konzert mit einem impressionistischen Leuchten, das sich über das Tal zu legen schien – ein Sonnenaufgang nicht nur im Klang, sondern im Raum. Zart und zugleich voller innerer Spannung folgte „Åses Tod“, das mit fast kammermusikalischer Intimität gespielt wurde – ein Moment des Innehaltens, der in seiner Stille berührte, ohne etwas zu behaupten. Mit „Anitras Tanz“ kam Leichtigkeit auf: ein folkloristisch grundierter Reigen, fein phrasiert und nie aufgesetzt. In der finalen „Halle des Bergkönigs“ entfaltete sich schließlich jenes dunkle Crescendo, das von Verfolgung, Wahnsinn und Übermut erzählt – mit rhythmischer Schärfe und orchestralem Furor, der nie ins Grobe kippte.

Lech Classic Festival
Lob auch für den Konzertmeister Konzertmeister Brieuc Vourch, der sehr kurzfristig eingesprungen war. Michael Moosbrugger

Elisabeth Brauß zeigte, wie man sich als Solistin ohne Geste und Exaltiertheit, aber mit völliger Präsenz Gehör verschafft. Ihre Kunst ist eine der Sammlung: keine Bühne für das Ego, sondern ein innerer Dialog mit dem Werk. In jeder Phrase, in jeder dynamischen Nuance waren ihre Sorgfalt, ihr Verständnis und ihre Klarheit zu spüren. Es war nicht bloß Musizieren, sondern musikalisches Denken in Klang. Und doch blieb bei aller Struktur stets ein warmes Leuchten – ein inneres Licht, das nicht strahlt, sondern glüht.

Lech Classic Festival
Lech Classic Festival. Michael Moosbrugger

Nach der Pause berührte Florina Ilie mit ihrer Interpretation von Griegs Solveigs Lied – einer musikalischen Miniatur, die leiser kaum sein könnte und dennoch eine ganze Welt in sich trägt. Ilies Sopran war von schwebender Reinheit, getragen von einer Innigkeit, die das Warten und Hoffen Solveigs nicht zur Opferrolle verklärt, sondern als stille Form von Stärke lesbar macht. Ihre Phrasierung war zurückgenommen, der Ausdruck kontrolliert – gerade deshalb wirkte ihre Stimme wie ein flüsternder Schwur der Treue in einer lauten Welt.

Lech Classic Festival
Lech Classic Festival. Michael Moosbrugger

Das nächste Glanzlicht des Abends war Jean Sibelius’ Violinkonzert in d-Moll – ein Werk, das zwischen Eis und Glut, zwischen Klarheit und Leidenschaft oszilliert. Ayana Tsuji erwies sich hier als Idealbesetzung: Mit einer Tongebung von fast asketischer Reinheit und zugleich brennender Innerlichkeit ließ sie das Konzert nicht als Virtuosenstück erscheinen, sondern als seelische Landschaft. Schon der erste Einsatz – ein leiser, suchender Aufstieg aus dem Nichts – war von einer solchen Konzentration, dass der Raum zu atmen schien. Der zweite Satz geriet ihr zu einer nordischen Elegie von ergreifender Wärme und das Finale – wild, tänzerisch, fast eruptiv – wurde bei ihr nie zum Kraftakt, sondern zum Ausdruck eines letzten Aufbäumens gegen das Verstummen.

Lech Classic Festival
Lech Classic Festival. Michael Moosbrugger

Was dieses Konzert in den Lechwelten so besonders machte, war nicht nur die kluge Programmwahl oder die herausragende Qualität der Interpretinnen. Es war die Haltung, mit der hier musiziert wurde: eine Haltung des Lauschens, der Reduktion und des Sinns für das Wesentliche. „Musik im Einklang mit Natur und Heimat“ war hier keine leere Floskel, sondern eine gelebte Idee: in Griegs naturgetränkter Romantik, in Sibelius’ eisiger Glut und in den stillen Stimmen der drei Musikerinnen, die den Norden nicht nur darstellten, sondern verkörperten. Ein Abend, der lange nachhallen wird – wie das Echo über dem Fjell.

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