Selbstbehauptung im Alter

Die österreichische Künstlerin Margot Pilz stellt im Künstlerhaus Bregenz aus.
Bregenz Bis zum 16. November zeigt das Künstlerhaus Bregenz unter dem Titel “Lovers” eine Ausstellung der österreichischen Künstlerin Margot Pilz (89), deren Werk seit Jahrzehnten zwischen Fotografie, Performance und digitalen Medien changiert. Bekannt wurde Pilz in den späten 1970er-Jahren mit fotografischen Selbstinszenierungen, die den weiblichen Körper zugleich als Projektionsfläche und Widerstandsort verstanden. Ihre performativen Selbstbildnisse gehören heute zu den Schlüsselwerken feministischer Kunst in Österreich – Arbeiten, in denen sich mediale Reflexion und körperliche Geste zu einer kraftvollen Sprache der Selbstermächtigung verbinden. Pilz hinterfragte früh die vermeintliche Objektivität des fotografischen Apparats und stellte die Frage, wie Identität durch Bilder überhaupt entsteht.

Bereits in den frühen 1990er-Jahren wandte sich Pilz der damals noch kaum anerkannten digitalen Kunst zu. Mit interaktiven Installationen und multimedialen Arbeiten erforschte sie, wie sich Wahrnehmung, Körperlichkeit und Subjektivität unter den Bedingungen der Digitalisierung verändern. Sie zählt damit zu den Pionierinnen Digitaler Kunst in Österreich – eine Künstlerin, die technische Mittel nie als Selbstzweck verstand, sondern als Werkzeuge für eine radikale Befragung des Ichs. Im Mittelpunkt der Bregenzer Ausstellung steht das Thema Altern – und die Körperlichkeit im Alter. Pilz rückt nicht den Verlust in den Vordergrund, sondern das Weiterleben von Begehren, Sinnlichkeit und Präsenz. Ihre neuen Arbeiten verweigern jede Beschönigung und zugleich jede Resignation: Sie zeigen den gealterten Körper als Subjekt von Lust, Wahrnehmung und Widerstand. Diese künstlerische Selbstbehauptung sprengt die Grenzen von Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Vorstellungen darüber, was Altern zu bedeuten habe.

Für das Künstlerhaus, im Palais Thurn und Taxis beheimatet, hat Pilz zwei neue Installationen entwickelt. „My Dead Lovers“ greift die Geschichte des Hauses – einst Sitz der Gründer der Kaiserlichen Hofpost – poetisch auf. In dieser lyrischen Rauminstallation schickt Pilz Briefe an ihre verstorbenen Liebhaber: ein fragiles, schwebendes Geflecht aus Erinnerung, Körpergeschichte und Begehren.

Die zweite Installation, „Happy Crappy Age“, kombiniert neue Fotografien von Pilz und ihrem verstorbenen Partner Ernst Beranek mit grafischen Elementen ihrer früheren Videoarbeit Gasoline Tango (1989). Auf fünfzehn transparenten Plexiglasplatten, die im Raum hängen und sich überlagern, entsteht ein schwebendes Geflecht aus Intimität und Vergänglichkeit. Die Transparenz verleiht den Bildern Leichtigkeit, die durch die nachdenklichen, manchmal schmerzlich offenen Porträts gebrochen wird – eine Balance zwischen Zartheit und Melancholie.

Ein wiederkehrendes Motiv ihres Œuvres ist die Natur. Schon 1991 präsentierte Pilz bei der Ars Electronica das interaktive Delphi Digital, ein Orakel über den Zustand der Erde. Ihre jüngsten Serien Restnatur, Touching Nature und Transition führen diese Auseinandersetzung fort – als meditative, aber zugleich politisch wache Reflexion über die Verbundenheit und Verletzlichkeit von Mensch und Umwelt.

Lovers ist keine klassische Retrospektive, sondern ein Plädoyer für Sichtbarkeit jenseits normativer Grenzen. Margot Pilz zeigt, dass Altern kein Verschwinden bedeutet, sondern eine andere Form der Gegenwart – aufrichtig, kraftvoll und schön in ihrer Verletzlichkeit. Ihr Werk bleibt, wie ihr Blick: unerschrocken, wach und von einer leisen, kompromisslosen Zärtlichkeit.