Ein umfassender Nachruf

Manfred Hämmerle: m/ä/s/e/r – Elastisana. Beginn, Aufstieg und Ende eines Dornbirner Textilunternehmens.
Dornbirn Eine Firmengeschichte zu schreiben ist in der Regel ein schwieriges Unterfangen. Wird eine solche vom jeweiligen Unternehmen bestellt, so sind damit auch Erwartungen des Auftraggebers verbunden. Geschieht eine solche Untersuchung aber unabhängig, aus allgemeinem Interesse und mit wissenschaftlichem Besteck, so begegnen die Betroffenen dem Projekt meist mit Skepsis, wenn nicht sogar ablehnend. Diese Haltung wirkt sich dann erfahrungsgemäß an der Quellenbasis aus. Manfred Hämmerle, der ehemalige Bregenzer HAK-Direktor, versucht in seiner nun vorgelegten Arbeit über die nicht mehr existente Dornbirner Trikotfabrik „Elastisana“ bzw. m/ä/s/e/r diesen beiden möglichen Hindernissen aus dem Weg zu gehen, ohne sie gänzlich wegräumen zu können. So ist seine unabhängige Herangehensweise großteils auf ehemalige Mitarbeiter/innen als Auskunftspersonen angewiesen, ein Firmenarchiv – das es offensichtlich nicht mehr gibt – stand ihm für seine Recherche aber nicht zur Verfügung. Das Resultat kann sich aber trotzdem sehen lassen.
Hämmerle entwirft ein lebendiges Bild der Firma von ihrer Gründung durch Benedikt Mäser im Jahr 1884 bis zu ihrem endgültigen Ende 1996, welches sich bereits im Jahrzehnt davor abzuzeichnen begann. Dazwischen aber gab es gute und „goldene“ Zeiten und einen Höchststand an Mitarbeiter/innen von zeitweise 1.600 Personen. Die Fabriksanlageb haben einst ein ganzes Stadtviertel – heute Kehlerpark – geprägt. Aufstieg und Niedergang des Unternehmens wurden von Manfred Hämmerle sachkundig nachgezeichnet. Bei zahlreichen Maßnahmen der Eigentümer/innen und Manager, die sich besonders positiv oder negativ auf den Firmenerfolg auswirkten, muss der Autor plausible Ursachen annehmen, da firmeninterne Entscheidungsprozesse nicht dokumentiert sind. Hauptquellen bilden deshalb ausführliche Gespräche mit Personen aus der ehemaligen Leitung und Arbeitnehmer/innen und Artikel aus der Firmenzeitschrift.
Als Maxime für seine Darstellung hält sich der Autor durchwegs an seine Absicht, nicht „mit dem aktuellen Wissen, besserwisserisch zu sein.“ Das schützt ihn vor schnellen Urteilen oder Schuldzuweisungen. Sein vorsichtig vorgetragenes Resümee für das schließliche Scheitern des einstigen Musterbetriebes könnte mit unterschiedlichen Gewichtungen weitgehend auf die gesamte ehemalige Dornbirner Leitindustrie übertragen werden. Darin liegt auch der größere Horizont dieser Firmengeschichte und ihre exemplarische Bedeutung über Mäser hinaus. Der Band ist äußerst gediegen ausgestattet und mit eindrücklichem Bildmaterial versehen. Mit diesem soliden und engagierten Nachruf, in dem auch die Leistung der Mitarbeitenden angemessen gewürdigt wird, ist Elastisana in Schönheit gestorben. Dass aber in einem Buch, in dem Frauen auf allen Betriebsebenen eine Hauptrolle gespielt haben, ausdrücklich nicht gegendert wird, ist offensichtlich nicht nur mit der angeblichen „besseren Lesbarkeit“ geschuldet, sondern auch einer Haltung. Schade.
Manfred Hämmerle: m/ä/s/e/r – Elastisana. Beginn, Aufstieg und Ende eines Dornbirner Textilunternehmens, Edition V 2025.