Orchesterwonnen

Das Symphonieorchester Vorarlberg brillierte mit Britten, Mozart und Dvořák.
Bregenz Schon das Programm des dritten Abo-Konzerts des SOV letzten Sonntag in Bregenz las sich wie ein Wunschkonzert: Brittens „Suite on English Folk Tunes ‚A Time there was…‘“, Mozarts letztes Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur, KV 595 und Dvořáks Siebte Symphonie in d-Moll. Am Pult stand der Chefdirigent Leo McFall, am Klavier saß der schottische Ausnahmepianist Steven Osborne, den McFall für „einen der allergrößten Künstler unserer Tage“ hält. Brittens „Suite on English Folk Tunes“ ist ein farbiges Werk, das in fünf sehr unterschiedlichen kurzen Sätzen jeweils zwei Volkslieder verarbeitet. Es ist seine letzte Orchesterkomposition, die er schon im Bewusstsein des nahen Todes schrieb. Hier konnte das SOV eine Probe seines präzisen, fein nuancierten Spiels geben: „Cakes and Ale“ begann mit Pauken und Schlagwerk, setzte abgehackte Streicherfiguren und einen Bläserchoral ein und fand zu einem leisen Schluss. In „The Bitter Withy“ imitierten Harfe und Kontrabässe einen Klaps, den Maria dem Jesuskind versetzt, in „Hankin Booby“ erzeugten die Bläser und das Schlagwerk unterschiedlichste Farben, während in „Hunt the Squirrel“ die Geigen sich eine rasante Verfolgungsjagd lieferten. Noch am ehesten an den Tod denken ließ die elegische Melodie des Englischhorns in „Lord Melbourne“. Dank der fabelhaften Instrumentalisten funkelte jeder der fünf Sätze wie ein facettenreicher Edelstein.

Mozarts scheinbare Leichtigkeit ist extrem schwierig zu realisieren. Was Osborne und das SOV mit McFall an diesem Abend geboten haben, war ein Ereignis. Schon die erste elegante Geigenmelodie mit dem aufsteigenden Dreiklang auf dem federnden Bett der tiefen Streicher, denen die Holzbläser beherzt antworteten, traf den Ton. Osborne trat völlig unspektakulär auf: Eine so am Werk orientierte, durchdachte und trotzdem beseelte Interpretation hört man selten. Orchester und Solist verwoben ihren Part perfekt ineinander, die Musik schimmerte wie ein kostbarer Stoff, bei dem trotzdem die einzelnen Fäden deutlich sichtbar waren. Das Larghetto erklang in abgeklärter Ruhe, mit dramatischen Einschüben, das Rondo-Finale beschwingt, bevor der Solist in der virtuosen Original-Kadenz von Mozart seine Leichtfingrigkeit in perlenden Läufen zeigen konnte. Mit diesem Konzert ist Mozart zum letzten Mal als Pianist aufgetreten – Osborne hat ihn feinfühlig und brillant wieder zum Leben erweckt. Das Publikum war begeistert, der Solist verabschiedete sich mit einer leisen Miniatur, der „Spieldose“ von Anatoli Ljadov. In eine ganz andere Welt wurde man nach der Pause geworfen: Dvořáks wuchtige Siebte wirkte nach dem durchsichtigen, federnden Spiel des ersten Teils wie ein Monumentalgemälde von Makart neben einem Pastell von Rosalba Carriera. McFall erwies sich auch hier als sattelfest und schuf mit den rund siebzig Musikern des groß besetzten Orchesters eine vom dumpf-düsteren Beginn an packende, leidenschaftliche Interpretation. Er dirigierte mit präzisen, engagierten Gesten, immer souverän, nur manchmal kam er mit dem Umblättern der Partiturseiten kaum nach. Das Orchester folgte ihm fast symbiotisch, von den homogenen Streichern unter Konzertmeisterin Michaela Girardi angefangen über die imposanten Posaunen- und Trompetenchöre und die wendigen Holzbläser bis zu den nie kieksenden Hörnern und den Pauken. Besonders im tänzerisch beschwingten Scherzo kam das böhmische Kolorit schön zur Geltung, das die ganze Symphonie grundiert. Bravo-Rufe und entfesselter Jubel des Publikums. Ein großartiges Orchester.
Ulrike Längle