Stich für Stich

Leserbriefe / 13.12.2021 • 19:54 Uhr

Egal ob wir Impfbefürworter, Impf­skeptiker oder Impfverweigerer sind, wir alle sind Menschen. Doch was in der letzten Zeit in unserer Gesellschaft passiert, ist besorgniserregend. Die Spaltung, die schon vor der Pandemie im Gange war, kommt jetzt unverhohlen ans Tageslicht. Radikale Ansichten auf beiden Seiten vergrößern den Graben, den Machtmenschen ausnutzen für ihre zwielichtigen Vorhaben. Wo sind die Menschlichkeit und der gegenseitige Respekt geblieben? Haben wir Menschen nichts aus der Geschichte gelernt? Das Trennende wird dermaßen in den Fokus unserer Gespräche gestellt, als ob es kaum oder nichts Verbindendes mehr geben würde. Dies ist global nicht weniger gefährlich als die Pandemie. Wir alle werden Tag für Tag in kleinen Dosen geimpft, oft ohne die Stiche zu bemerken. Vielleicht könnte es uns weiterhelfen, achtsam die subtilen Impfungen unserer Psyche durch Einwirkung von außen konsequent zu verweigern, so dass unsere Logik (der Hausverstand) und unser Gefühl samt Empathie wieder eine Chance haben, jenen Weg zu beschreiten, der zum Wohle aller Menschen ist. Hilde Domin hat nach ihrer Rückkehr aus dem Exil geschrieben: „… nicht im Stich zu lassen. Sich nicht und andere nicht. Dies ist die Mindest-Utopie, ohne die es sich nicht lohnt, Mensch zu sein.“

Anni Mathes, Bludesch