Es geht uns gut
Sagen wir, Sie haben einen Sohn, einen Bruder, der ist Anfang zwanzig und, wie es den Anschein hat, drauf und dran durchzustarten. Immer mehr jungen Erdenbürgern hier bei uns ist es ja vergönnt, im Rosengarten, im Zauberwald einer wohlbehüteten Kinderstube heranzuwachsen und volle zwei Jahrzehnte der Persönlichkeitsbildung und Aufwärtsentwicklung zu durchlaufen. Und der „Booster“ kommt dann erst: Es haut einen fast um, wenn man zu realisieren beginnt, dass das nur das Präludium war und da draußen nun eine ganze Welt auf einen wartet – ,,thrilling“ ist ein Ausdruck im Englischen für diesen betörenden Kitzel. Für unzählige ukrainische und russische Altersgenossen ist es damit jedoch bereits vorbei. Eben jetzt, da Sie dies lesen, erfüllt sich, gar nicht so weit von hier, ihr bitteres Schicksal. Ein Werbeprojekt hat es sich seit einiger Zeit zum Ziel gesetzt, Vorarlberg als „chancenreichsten Lebensraum“ zu positionieren. Heißt das nicht, Eulen nach Athen tragen? Halten Sie doch einmal im Tagesgeschäft inne und betrachten Sie eine x-beliebige Straßenszene. Das überblenden Sie mit den Bildern völliger Verwüstung aus den ukrainischen Ballungsräumen und müssen mir dann doch recht geben: Es ging uns schon lange nicht so gut wie jetzt. Unsere Lebensaussichten sind – zumindest mittelfristig – allesamt intakt.
Bohuslav Birka, Dornbirn