Wann ist Karsamstag?

Wir sind wieder angekommen im großen Geheimnis der „Heiligen drei Tage“ vom Leiden und Sterben, vom Tod und von der Auferstehung Jesu Christi. Jedes Jahr neu bildet dieses „Triduum sacrum“ den Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres: Vom Gründonnerstagabend mit der Feier des letzten Abendmahles zum Karfreitag als Tag des Leidens und Sterbens Jesu (erster Tag), hin zum Tag seiner Grabesruhe am Karsamstag (zweiter Tag), hin zum Hochfest der Auferstehung Jesu, die wir groß in der Osternacht und am Ostersonntag feiern (dritter Tag).
Der Karfreitag und dann der Ostersonntag sind wohl vielen noch geläufig. Und man kennt ja diesen „Ablauf“, fast so wie Weihnachten „alle Jahre wieder“: Sterben – auferstehen. Und wir denken vielleicht: Am Karfreitag ist der Tod dran und an Ostern das Leben. Damit ist der Tod erledigt. Und da wir immer schon von Ostern wissen, ist der Karfreitag im Grunde nicht mehr so ganz ernst zu nehmen, ganz zu schweigen vom Karsamstag.
Der Karsamstag ist für mich die letzten Jahre ein wichtiger Tag geworden. Ohne ihn kann eigentlich nicht Ostern werden. Der Karsamstag ist ein stiller Tag, ähnlich dem Karfreitag, obwohl an diesem Tag bei den meisten die Ostervorbereitungen auf Hochtouren laufen: Die Kirchen werden geschmückt, Musiker und Ministranten proben, die Wohnungen hergerichtet, eingekauft, vorgekocht . . .
Es ist eigentlich sehr schade, dass es kaum möglich ist, die Stille des Karsamstags nachempfinden zu können.
Der Karsamstag Jesu
Im Glaubensbekenntnis beten wir: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Von Jesu Menschwerdung bis zu seinem Sterben am Kreuz, in die Wirklichkeit des Todes und in die Auferstehung hinein bezeugt Jesus die Liebe Gottes: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt . . . ewiges Leben hat.“ (Johannes 3,16). Der Karsamstag ist wie die Konsequenz des Lebens und Sterbens Jesu. Ganz geht er hinein in eine Wirklichkeit, die niemand von uns kennt, die allen irgendwie Angst macht und von der wir doch wissen: Unser Sterben, unser Tod gehört zum Leben dazu wie das Geborenwerden. Und dort hinein, wo kein Leben mehr ist, wo wir nichts mehr tun und machen können, wo Totenstille herrscht, wo wir absolut verloren und verlassen sind, einsam und allein: Dort hinein geht Jesus Christus, ist er da! Was nur schwer in Worte zu fassen ist, können Bilder zum Ausdruck bringen. Die beeindruckenden Auferstehungs-Ikonen der Ostkirchen machen es anschaulich: Christus steigt hinab in das „Reich des Todes“. In der Macht seiner Liebe entreißt er die Toten ihrem Todesgeschick und führt sie in das Reich des Lichtes und des Lebens. Wo also sonst Tod herrscht, da wohnt Christi Liebe, die immer ins Leben führt. Mit Christus sterben heißt immer auch mit Christus auferstehen (vgl. Römer 6,8)!
Dein, mein Karsamstag
Der Karsamstag ist auch heute überall gegenwärtig und es ist eine Herausforderung, sich ihm zu stellen: Da ist das Abschiednehmen von lieben Menschen. Wir stehen an ihrem Grab. Sie sind tot und begraben. Dann ist Karsamstag! Da ist unsere Einsamkeit, unsere Kälte, unsere Starre, da gibt es Verletzungen, alte Konflikte, Unversöhntes hält gefangen, das lähmende eigene Unvermögen, fehlendes Zutrauen. Dann ist Karsamstag! Da gibt es so vieles, das uns am Leben hindert, das wie Ballast schwer auf unserem Herzen liegt. Dann ist Karsamstag! Und oft genug müssen Menschen in Krankheit und bei Schicksalsschlägen all ihre Sehnsucht und Hoffnung verabschieden und begraben. Dann ist Karsamstag!
Der Karsamstag mutet uns zu, mit Christus in unsere eigenen Gräber des Lebens zu steigen, in unsere eigene Tiefe, um eins zu werden mit ihm, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, dem Anführer in das Leben. Pater Anselm Grün schreibt einmal: „Indem wir Altes begraben, wächst in uns die Sehnsucht nach Ostern, die Sehnsucht, mit Christus als neue Menschen aus dem Grab aufzustehen.“ Manches muss man wirklich verabschieden, es im wahrsten Sinn des Wortes los–lassen, damit Neues beginnen kann. Vielleicht kann dabei ein befreiendes Gespräch mit einem vertrauten Menschen helfen oder die Beichte, das Sakrament der Versöhnung.
Unser Ostern
Ostern können wir letztendlich nicht machen und niemand besitzt Ostern. Ostern ist immer ein Geschehen. Ostern ist immer diese Bewegung, dieser Übergang vom Dunkel in das Licht, von der Enge in die Weite, von der Angst zur Freude, von der Schuld zur Vergebung, vom Tod zum Leben! Diesen Übergang feiern wir ganz groß in der Osternacht und dann dürfen wir uns ganze 50 Tage lang von der österlichen Freude und Hoffnung anstecken lassen.
Kurt Marti bringt es so ins Wort: „Ein Grab greift tiefer als die Gräber gruben, denn ungeheuer ist der Vorsprung Tod. Am tiefsten greift das Grab, das selbst den Tod begrub, denn ungeheuer ist der Vorsprung Leben.“ Damit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern Mut, sich ihrem Karsamstag zu stellen, um dann die Freude von Ostern zu erfahren!
