Zum Wohl der

Leserbriefe / 06.11.2023 • 17:43 Uhr

betroffenen Frauen

Vor etwa fünfundzwanzig Jahren war ich bei einem entwicklungspolitischen Seminar. Ein Referent, ein Gynäkologe, berichtete, dass er bei seinem Einsatz in einem Spital in Ostafrika auch Frauen beschnitten hatte. Nicht beschnitten zu sein ist für dortige Frauen ein soziales Stigma. Nach seinem Verständnis machte er es zum Wohl der dortigen Frauen. Er wollt sie vor unhygienischer Beschneidung durch Laienfrauen bewahren. Er löste damit eine heftige Kontroverse unter uns aus. Der Gynäkologe war erstaunt, dass er nicht ungeteilte Zustimmung fand. Ich sehe Parallelen zu unserer Abtreibungsdebatte. Auch bei Abtreibungen ist das sogenannte Wohl der Frauen ein Hauptargument der Abtreibungsbefürworter. Für manche „woke“ Zeitgenossen mag die Beschneidung ein Ausdruck der lokalen Folklore sein. Aber sollten wir nicht eher auch in Ostafrika ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem die Beschneidungen aufhören? Sollten wir nicht auch bei Abtreibungen alles daransetzen, dass wir den Kindern im Mutterleib ermöglichen, das Licht der Welt zu erblicken? Sicher ist eine Abtreibung unter optimalen medizinischen Bedingungen für die physische Gesundheit von Frauen zuträglicher als bei einer Engelmacherin. Aber wir klammern die psychische Komponente aus. Sollten wir nicht auch in der Abtreibungsfrage alles daran setzen, eine Willkommenskultur für die Schutzlosesten in unserer Gesellschaft zu schaffen? Zum Wohl der betroffenen Frauen!

Dr. Wolfgang Hämmerle, Lustenau