“Warum holt mich der liebe Gott nicht?”

Menschen / HEUTE • 14:22 Uhr
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Maria Gunz lebt seit einigen Monaten im Sozialzentrum Schützengarten in Lustenau.

Maria Gunz wird im Jänner 104 Jahre alt. Vor einigen Monaten erblindete die Lustenauerin. Seither sehnt sie sich nach dem Tod.

Lustenau Maria Gunz redet oft mit Gott. Sie versteht nicht, “warum der liebe Gott mich nicht holt. Was hat er bloß noch mit mir vor?” Maria feierte am 19. Jänner 2025 ihren 103. Geburtstag in einem Gasthaus in Lustenau. Einige Tage später übersiedelte sie ins Sozialzentrum Schützengarten.

Seit sie aufgrund einer Augenkrankheit im Jänner 2025 erblindete, möchte sie nicht mehr leben. “Ich sehe nur noch Schatten.” Als sie 100 war und die Augen noch etwas mehr sahen, lebte sie noch gerne. Da sehnte sie sich noch nicht nach dem Tod. Die hochbetagte Frau hofft, dass es keine Wiedergeburt gibt. Denn: “Ich möchte nicht noch einmal auf die Welt kommen. Mein Leben war nicht so schön. Ich habe einen Krieg erlebt und sehr viel mitgemacht.” Sie ist stolz darauf, “dass ich trotzdem nie meinen Humor verloren habe”.

Tochter und Enkel verloren

Die Lustenauerin glaubt an ein Leben nach dem Tod. “Es wäre schön, wenn ich nach meinem Tod wieder mit meinen verstorbenen Lieben zusammenkäme.” Maria musste früh von Menschen Abschied nehmen, die sie liebte. Ihr Mann Eduard wurde nur 61 Jahre alt. Ihre Tochter Marianne starb im Jahr 1985. Von diesem Schicksalsschlag hat sie sich bis heute nicht erholt. “Mit diesem Schmerz gehe ich ins Grab.” Auch einen ihrer sechs Enkel musste Maria zu Grabe tragen. “Markus hatte mit 52 Jahren einen Herzinfarkt. Wir zwei hingen sehr aneinander. Markus rief mich jeden Abend an und wünschte mir eine gute Nacht. Er wollte sich vergewissern, dass es mir gutgeht.”

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Maria Gunz hatte kein leichtes Leben. “Ich habe viel mitgemacht.”

Trost und Halt hat Maria im Glauben gefunden. “Er ist mein Ein und Alles. Ich lege alles in Gottes Hände.” Ihr Leben verlief nicht nach ihrem Plan. “Gott sah anderes für mich vor.” Maria hätte in jungen Jahren gerne studiert. “Ich hatte so viel Talent. Meine Aufsätze wurden in der Schule vorgelesen.” Aber ins Gymnasium durfte nur ihr Bruder gehen. Auch eine Lehre zur Köchin oder Damenschneiderin durfte die Tochter eines Landwirtes aus Lustenau nicht absolvieren. “Damals machten noch relativ wenige Frauen eine Lehre.”

Das Schneidern brachte sie sich selbst bei, über Fachbücher und verschiedene Kurse. “Ich habe dem Vater einer Freundin über die Schulter geschaut. Er war Schneider.” Als Maria ihren zukünftigen Mann kennenlernte, arbeitete sie in einer Näherei. “Eduard wollte, dass ich nach der Heirat zu Hause bleibe.” Das Ehepaar bekam zwei Töchter. “Ich habe für die ganze Familie die Kleider geschneidert.”

Eine Kräuterfrau

Auch der Gemüse- und Blumengarten bedeutete ihr viel. “Unter anderem habe ich Kartoffeln angebaut.” Sie und ihre Lieben schätzten das Gemüse aus dem eigenen Garten und das Brot, das sie backte. “Ich war auch immer eine Kräuterfrau.” Die zweifache Mutter sammelte Kräuter und machte aus ihnen mit Leidenschaft Tinkturen, Salben und Tee. Sie war auch ein sportlicher Mensch. Maria gehörte dem Turnverein an und ging regelmäßig und bis in den November hinein im Alten Rhein schwimmen.

Heute lebt die hochbetagte Frau in ihren Erinnerungen. “Nachts träume ich, dass ich arbeite. Kürzlich backte ich im Traum Brot”, verrät die 103-Jährige, und jetzt huscht ein versonnenes Lächeln über ihr Gesicht.