Bundeskanzler Nehammer im Dilemma

Leserbriefe / 18.06.2024 • 22:02 Uhr

Wie sollte er auf das Verhalten von Ministerin Gewessler reagieren? Viele Grüne werden die Auffassung haben, dass die Ministerin im Interesse unserer aller Zukunft das Richtige getan hat. Ein Teil unserer Bevölkerung wird hingegen wohl der Ansicht sein, dass im gegebenen Fall eine einheitliche Auffassung der Regierung erforderlich gewesen wäre. Welche Möglichkeiten verblieben Nehammer, nachdem die Ministerin Gewessler ausgeschert ist und die Entscheidung nur in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Gewissen getroffen hat. Nehammer hätte beim Bundespräsidenten den Vorschlag einbringen können, Frau Gewessler noch vor Abgabe ihrer angekündigten Zustimmung als Ministerin zu entlassen. Was aber, wenn der Bundespräsident diesen Vorschlag nicht verwirklichen wollte? Artikel 70 unserer Verfassung normiert, dass die Entlassung einzelner Minister auf Vorschlag des Bundeskanzlers erfolgt, jedoch zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich. Die Entlassung bedarf keiner Gegenzeichnung. Zum Unterschied zu Deutschland hat bei uns der Bundeskanzler kein Weisungsrecht gegenüber den einzelnen Ministern. Sollte der Bundespräsident allenfalls „durchblicken“ lassen, dass er die Ministerin nicht entlassen werde, welche Möglichkeiten verblieben dann dem Bundeskanzler? Er hat nun das getan, was für uns alle wichtig ist. Das Verhalten der Ministerin wird gerichtlich überprüft und die Beurteilung über dieses Geschehen in Österreich trifft der Wähler am 29. September.

Dr. Hermann Böckle, Dornbirn