Thomas – Auferstehen in der Begegnung
Zu den bekannten Eigenschaften des preußischen Königs Friedrich des Großen zählte auch ein ausgeprägter Sinn für trockenen Humor. Das zeigte sich einmal mehr, als ihm das Bittgesuch eines Pastors vorgelegt wurde. In dem Schreiben beklagte der Kirchenmann die schlechten Lichtverhältnisse in seinem Gotteshaus. In seiner Kirche sei es so dunkel. Er wolle neue Fenster und Leuchter kaufen, um dem Abhilfe zu schaffen, und ersuche daher um finanzielle Unterstützung. Friedrich, sonst Religionsgemeinschaften gegenüber durchaus tolerant, schrieb diesmal jedoch unter das Ansuchen: „Abgelehnt – „Selig, die nicht sehen, und doch glauben.“ Friedrich“.
Hoher Bekanntheitsgrad
Dieser Satz ist dem Sonntagsevangelium (Joh 20,19-31) entnommen, welches die bekannte Begebenheit vom sprichwörtlichen „Ungläubigen Thomas“ berichtet. „Wer’s glaubt, wird selig.“ – auch dieses Sprichwort kann man auf jene Evangelienstelle zurückführen. Was macht die Begegnung zwischen dem Auferstandenen und dem Hl. Apostel Thomas so populär, dass dieser in die Redewendungen des Alltags Eingang gefunden hat? Worin sind seine hohen Umfragewerte, wie wir heute sagen würden, begründet? Vielleicht ist uns Thomas deswegen so sympathisch, weil er zeigt, dass Glaube keine Selbstverständlichkeit ist. Zu jedem Glaubensweg gehört auch der Zweifel und das Hinterfragen. Bei diesem Apostel wird das besonders deutlich. Auch er hatte wohl eine Phase der Gottsuche, eingebettet in die Tradition des jüdischen Volkes, hinter sich. Diese erreicht eine neue Qualität, als er sich dem Wanderrabbi Jesus, der bis vor kurzem noch als Zimmermann tätig war, anschließt. Und so wird er Zeuge seiner Wunder, seiner Souveränität im Umgang mit den Autoritäten sowie seiner gütigen Menschenfreundlichkeit Bedürftigen gegenüber. In der Apostelschar mag er als kritischer Geist bekannt gewesen sein, der sich traut nachzufragen, wenn er Klärungsbedarf sieht (vgl. Joh 14,5).
Späte Einsicht?
Vielleicht war es auch deshalb wenig überraschend, dass Thomas nach den überwältigenden Ereignissen des Karfreitags nicht mehr an allen Treffen teilnimmt. Als ihm berichtet wird, der Auferstandene sei der Gruppe in seiner Abwesenheit erschienen, bleibt er skeptisch. Nur nicht noch einmal eine Enttäuschung erleben! Lieber erst handfeste Beweise und dann weitersehen. Die ganze Größe dieses Apostels zeigt sich, als ihm bei der nächsten Zusammenkunft Jesus seine Wunden wie verlangt als Beweis zeigt. Thomas kann fragen, aber er weiß auch, wenn es nichts mehr zu fragen gibt. „Mein Herr und mein Gott“ spricht er Jesus an und schenkt damit der Kirche das kürzeste und persönlichste Glaubensbekenntnis. Sein Glaubensweg hat das Ziel erreicht. Und dieser Glaubensweg ist es auch, der Thomas zu einer so populären Persönlichkeit macht. Er hat vorgelebt, wie der Weg eines Menschen in der Gottesbeziehung verläuft, und dass der Zweifel zum Glauben gehört. In der Begegnung mit dem Auferstandenen erlebt er schließlich seine persönliche Auferstehung.
Wegbereiter
In gewisser Weise hat der Apostel Thomas jedem Menschen den Glaubensweg gewiesen. Dafür mag uns abschließend eine Begebenheit, die aus dem Leben des Hl. Papstes Johannes XXII. berichtet wird, als Beispiel gelten. „Wer glaubt, zittert nicht!“ hat er als Papst den Menschen zugerufen. Doch noch als Erzbischof wandte er sich nach dem Begräbnis seiner Lieblingstante an seinen Sekretär mit den Worten: „Hoffentlich ist das alles nicht nur eine Illusion.“ So steht auch dieser große Reformer der Kirche in der Tradition des „Ungläubigen Thomas“, wenn er erlebt, dass Zweifel Wegstationen des Glaubens sind.
