Leserbrief: Natur im Gleichgewicht?

Leserbriefe / 06.07.2025 • 13:15 Uhr
Leserbrief: Natur im Gleichgewicht?

Immer dann, wenn davon gesprochen wird, die Natur ins “Gleichgewicht” zu bringen, sollte man aufhorchen. Der sogenannte Overshoot Day in Österreich fiel heuer auf den 29. März. Das heißt, ab diesem Tag leben die Menschen (enkeluntauglich!) auf Kosten künftiger Generationen und anderer Spezies. Österreich gehört zu den Spitzenreitern im frühen Ressourcenverbrauch; nur wenige EU-Länder stehen noch schlechter da. Im durchschnittlichen Vergleich überschreitet Österreich seine Jahreskapazität bereits über einen Monat früher. Hauptverursacher für den frühen Overshoot Day sind – neben Verkehr, Bauindustrie, Konsumverhalten – auch die Landwirtschaft. Der politische Diskurs um ein angebliches Gleichgewicht der Natur vernebelt dabei den Blick auf das Wesentliche: den exzessiven Ressourcenverbrauch des Menschen. Es geht nicht um den Wolf, sondern um ein Wirtschaftssystem, das sowohl nationale und lokale als auch planetare Grenzen ignoriert. Während Ökosysteme (teils unumkehrbar) kollabieren, wird in Landtagen über den Wolf debattiert, als wäre er das Problem für Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Landnutzungswandel, Süßwassernutzung oder vielleicht auch noch Plastikverbrauch. Es ist unschwer zu erkennen, dass nicht der Wolf das Netzwerk Natur gefährdet oder zerstört, sondern vielmehr der Mensch dem hybriden Irrglauben unterliegt, es kontrollieren zu können. Ernüchternd hierbei ist, wie viel Steuergeld dann in diese politischen Strukturen fließt, denen es offenkundig an Weitsicht mangelt.

Ulrike Schmid, PhD, Götzis